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Perspectives

Die Ursprünge der französischen Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland (1942-1945)

Daniel Bonnard

Zusammenfassungen

Seit der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofes (2002) sind die Kriegsverbrecherprozesse im besetzten Deutschland zunehmend Thema geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen geworden, und dies über das Internationale Militärtribunal in Nürnberg hinaus. In diesem Kontext untersucht der vorliegende Artikel die Ursprünge der französischen Nachkriegsjustiz in Deutschland, im Rahmen derer französische Gerichte zwischen 1945 und 1953 mehr als 2100 Personen auf der Grundlage des alliierten Kontrollratsgesetzes Nr. 10 aburteilten. Dazu werden drei Etappen der französischen Kriegsverbrecherpolitik unterschieden: London, Algier und Baden-Baden. Dabei kann gezeigt werden, wie entscheidend der Rückgriff auf das Völkerrecht in allen Etappen war und dass es vor allem dem Einfluss der Alliierten auf die französische Rechtspolitik zu verdanken ist, dass die Kriegsverbrecherprozesse in der französischen Zone eine völkerrechtliche Grundlage bekommen haben.

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Volltext

1Wenn man die Aufarbeitung der alliierten Nachkriegsjustiz in Deutschland betrachtet, so haben Historiker und Historikerinnen bislang vor allem die Nürnberger Prozesse zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. Die Gerichtsverfahren, die in den jeweiligen Besatzungszonen während und nach den Verhandlungen des Internationalen Militärtribunals (IMT) stattfanden, gerieten erst in den 2000er Jahren in den Fokus der Historiker. Dies gilt insbesondere für die Rechtsprechung der Gerichte in der französischen Besatzungszone, die wegen Einschränkungen des Zugangs zu Gerichtsakten bis in die 1990er Jahren kaum erforscht war. Die einzige Monographie von Yveline Pendaries zu den Kriegsverbrecherprozessen in der französischen Besatzungszone ist stark von der Forschung zu den Kriegsverbrecherprozessen in Frankreich beeinflusst und darum bemüht, die Rechtsstaatlichkeit der Verfahren zu beweisen (Pendaries, 1995). Die Studie fokussiert auf die sogenannten Rastatter Prozesse, wobei die Autorin nur wenige Verfahren in ihre Untersuchung einbezieht. Zur Justizpolitik der Französischen Zone übernimmt Pendaries wesentliche Ergebnisse der rechtswissenschaftlichen Dissertation von Albert Hoffstetter Les tribunaux du gouvernement militaire en Zone Française d’Occupation (1947), wobei sie, ähnlich wie dieser, den Einfluss der Alliierten auf die französische Rechtspolitik im besetzten Deutschland kaum in den Blick nimmt. Jüngere Forschungsarbeiten haben hingegen die transnationale Dimension der französischen Maßnahmen zur Strafverfolgung der Kriegsverbrechen betont (Moisel, 2006). Die bisherigen Untersuchungen zur französischen Nachkriegsjustiz konzentrieren sich dabei entweder auf die innerfranzösische Epuration oder auf die Kriegsverbrecherprozesse in Frankreich selbst. In dem vorliegenden Artikel wird nun argumentiert, dass die transnationalen Momente in der Entstehung der französischen Kriegsverbrecherpolitik noch nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Bei der Frage nach den rechtspolitischen Ursprüngen der französischen Kriegsverbrecherprozesse ist noch Forschungsbedarf vorhanden, und der Umgang des gaullistischen Widerstands mit der Kriegsverbrecherfrage kann, so soll gezeigt werden, nicht ohne die Einflüsse der anderen Alliierten verstanden werden.

  • 1 Die Rechtsgrundlage war das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 10 zur Bestrafung von Kriegsverbrecher (...)

2Die Strafverfahren, die die Gerichte der französischen Besatzungszone zwischen 1946 und 1953 gegen mehr als 2100 Personen führten1, haben eine komplexe justizpolitische Vorgeschichte. In dem vorliegenden Artikel soll herausgearbeitet werden, auf welche Weise die Ahndung der deutschen Verbrechen in der französischen Besatzungszone durch das Zusammenwirken verschiedener französischer und alliierter Vorstellungen über die Gestaltung der Nachkriegsjustiz geprägt wurde. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie justizpolitische Weichenstellungen die Entstehung der französischen Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland bestimmt haben. Die Untersuchung greift dazu zunächst auf die Ergebnisse der Historikerin Claudia Moisel zurück, um den Schwerpunkt in einem zweiten Schritt auf die weniger untersuchte Ahndung der deutschen Kriegsverbrechen in Deutschland zu legen. Der Text ist in die drei Stationen London, Algier und Baden-Baden unterteilt. Der Ort der Koordinierung des äußeren Widerstands (London), der Sitz der provisorischen Regierung Frankreichs (Algier) und der Sitz der französischen Militärregierung in Deutschland (Baden-Baden) markieren unterschiedliche Ausgangsbedingungen, wenn nicht Wendepunkte, im Hinblick auf die Ausgestaltung der Justizpolitik in der Nachkriegszeit. Das Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, unter Berücksichtigung der Verschiedenheit dieser institutionellen Konstellationen die Kontinuitäten, aber auch die Brüche der französischen Kriegsverbrecherpolitik zwischen 1943 und 1945 zu rekonstruieren.

London: Der rechtspolitische Diskurs um die Kriegsverbrecherfrage

  • 2 Zusätzlich zu den Delegierten der France Libre waren die Exilregierungen der Tschechoslowakei, Belg (...)

3Im Januar 1942 hatten acht Exilregierungen unter Mitwirkung des Comité national français von De Gaulle im Londoner Saint-James-Palace eine Erklärung verabschiedet, die erstmals strafrechtliche Folgen für die Gräueltaten der Achsenmächte im besetzten Europa und im besetzten Teil der Sowjetunion forderte2 (Moisel, 2004: 53-54). In London entstanden in der Folge mehrere Gremien, in denen die Juristen des gaullistischen Widerstands zusammen mit anderen Experten aus den besetzten Ländern Beweismaterial zu den Gräueltaten zusammenstellten und eine gemeinsamen Politik der Alliierten zum Umgang mit den von dem nationalsozialistischen Regime begangenen Kriegsverbrechen erarbeiteten (Segesser, 2010: 350-360).

  • 3 André Gros (1908-2003) war ein französischer Jurist und Professor der Rechtswissenschaft. Ab 1943 a (...)
  • 4 Im Juli 1942 schloss sich der im besetzten Frankreich agierende Widerstand mit dem gaullistischen W (...)
  • 5 André Gros: Note sur la répression des crimes de guerre, adressée à Monsieur le Commissaire Nationa (...)

4Der französische Rechtsprofessor André Gros3, der seit März 1943 als Vertreter der France Combattante4 in London amtierte, verfasste vor diesem Hintergrund einen Bericht für den in Algier sitzenden Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten des Comité National Français. Darin fasste Gros die von den Juristen der Exilregierungen diskutierten Rechtsprobleme zusammen und formulierte auf dieser Grundlage eigene Vorschläge. Im Vordergrund stand die Skepsis des Autors gegenüber der Einrichtung nationaler Gerichte zur Ahndung der deutschen Kriegsverbrechen. In seinen Augen war es zu riskant, die Legitimität französischer Gerichte durch juristisch schwer zu vermittelnde Entscheidungen zu gefährden. Alternativ machte Gros den Vorschlag – mit dem er in London keineswegs allein stand –, dass das Völkerrecht angesichts des staatlich organisierten Charakters deutscher Verbrechen eine Anpassung erfahren müsse. Gros zufolge waren die Vereinten Nationen in der Pflicht, auf die historisch neue Situation durch die Schaffung einer völkerrechtlichen Norm zum Verbot staatlich organisierter Massenverbrechen zu reagieren. Gros zeigte damit ein hohes Bewusstsein für die zukünftigen Rechtsprobleme, die er nach dem Krieg bei der Verfolgung deutscher Straftäter erwartete. Der Vorschlag, die Aburteilung deutscher Verbrechen den Gerichten der Vereinten Nationen zu überlassen, sollte die internationale – vor allem britische und US-amerikanische – Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer justiziellen Abrechnung überzeugen5.

  • 6 Das Comité francais de la Libération nationale (France combattante) übernahm am 3. Juni 1943 die po (...)
  • 7 CFLN [Comité français de Libération nationale]:Émission radiophonique. Information. (…) 29 septembr (...)
  • 8 Die englische Bezeichnung « no particular geographical localization » ist irreführend. Es handelte (...)

5Im Laufe des Jahres 1943 nahmen die militärischen Operationen der Wehrmacht gegen französische Partisanen allerdings erheblich zu (Leib, 2007: 171). Um diese Repressionen aufzuhalten, drohte das seit Juni 1943 in Algier etablierte Comité français de la Libération nationale (France Combattante)6 per Rundfunk explizit mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die deutsche Bevölkerung.7 Während der Akzent dabei anfänglich auf der Vergeltung lag, begann sich der gaullistische Widerstand für die Möglichkeiten der Strafverfolgung zu interessieren, die René Cassin und André Gros in London entwickelt hatten. Im Oktober 1943 unterzeichneten Churchill, Roosevelt und Stalin eine Erklärung zu den atrocities, die bis Kriegsende unter der Bezeichnung „Moskauer Deklaration“ als Wendepunkt der alliierten Kriegsverbrecherpolitik galt. In der Moskauer Deklaration wurde zum ersten Mal das Prinzip der Strafverfolgung deutscher Kriegsverbrecher durch die Justizbehörden der vormals besetzten Staaten zum Ausdruck gebracht. Die Deklaration ließ jedoch andere Fragen offen, beispielweise die Ahndung derjenigen Verbrechen, die in mehreren Staaten gleichzeitig begangen wurden und die durch eine spätere Entscheidung geregelt werden sollte.8 Beim Projekt zur Errichtung eines internationalen Gerichtshofes kam es allerdings bis Kriegsende zu keiner Einigung (Wiewiorka, 2006: 15-20). Die Deklaration enthielt ebenfalls keine Aussagen zu den Verbrechen, die auf deutschem Territorium begangen wurden. Dies bildete, insbesondere mit Blick auf die Ahndung der Massenverbrechen an Deportierten und Internierten, die nach Deutschland verschleppt wurden, ein zentrales Problem der alliierten Kriegsverbrecherpolitik.

Algier: Die erste französische Rechtsgrundlage zur Strafverfolgung der deutschen Kriegsverbrechen

  • 9 René Cassin (1896-1976) war Jurist und Verfechter der Menschenrechte. In der Zwischenkriegszeit eng (...)
  • 10 Deuxième rapport du Professeur Cassin, Délégué de la France Libre à la Commission des Nations Unies (...)
  • 11 Ebenda, S. 13. [Übersetzung: Daniel Bonnard.] Französische Originalfassung: (…) des centaines de m (...)
  • 12 Ebenda, S. 15.

6Aufgrund der Schwierigkeiten der UNWCC in der Aufnahme der Ermittlungsarbeit verfasste Cassin9 als De Gaulles Kronjurist im Mai 1944 einen umfassenden Bericht, in dem er dem Comité Français de Libération Nationale Vorschläge zur Strafverfolgung der Kriegsverbrechen unterbreitete. Darin beklagte Cassin die mangelnde Positionierung der gaullistischen Widerstandbewegung zur Strafverfolgung der Kriegsverbrechen und forderte, diesem Missstand durch öffentliche, diplomatische, aber auch rechtliche Maßnahmen abzuhelfen. In seinem Bericht stellte Cassin fest, dass die bisherigen alliierten Bemühungen um die Ahndung der Kriegsverbrechen nicht im Stande waren, „die Politik des Terrors, der Plünderung und der Vernichtung angrenzender Völker“10 zu stoppen. Der Text kritisierte explizit, dass „Hunderttausende Juden aller Nationen und Russen [in Gaskammern] getötet wurden [und die] Deklaration der Alliierten nur ihre Militärangehörigen geschützt“ habe11. In Anlehnung an die Moskauer Deklaration sollten Strafverfolgungsmaßnahmen trotzdem den Kern der Kriegsverbrecherpolitik der France Libre bilden.12

7Anders als ihre angelsächsischen Verbündeten sah sich die France Libre einer Politik der Massengewalt ausgesetzt, wobei die Kriegsverbrechen von den Achsenmächten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Staatsgebietes begangen wurden. Wie im Bericht unterstrichen wurde, musste sich jeglicher Ansatz zur Strafverfolgung der deutschen Verbrechen mit der extraterritorialen Anwendung französischen Strafrechts befassen. Zunehmend um das Leid der Kriegsgefangenen und Deportierten in den Lagern in Deutschland besorgt, sahen sich die Juristen des gaullistischen Widerstands mit dem Problem konfrontiert, dass außerhalb des französischen Territoriums begangene Straftaten nicht nach geltendem Recht zu ahnden waren. Angesichts der Massendeportationen durch das NS-Regime kritisierte Cassin:

  • 13 Ebenda.

„(…) notre code d’instruction criminelle contient une grave lacune en ce qui concerne la compétence des juridictions répressives françaises. Les crimes commis à l’étranger par un étranger, contre la personne ou les biens d’un Français, n’étant pas actuellement ʻjusticiablesʼ de nos tribunaux, les nombreux attentats commis en Allemagne, en Italie, en Pologne [et] en Russie contre les prisonniers de guerre appartenant aux armées françaises, les travailleurs et les déportés, risquent de demeurer impunis si le Comité Français de la Libération Nationale ne prend pas une ordonnance pour combler la lacune signalée.“13

  • 14 Die größten Massaker an der Zivilbevölkerung ereigneten sich 1944, insbesondere in Oradour-sur-Glan (...)
  • 15 Francois de Menthon (1900-1984) war ein französischer Jurist, Widerstandkämpfer und christlicher Po (...)
  • 16 Die Begründung (Explication des motifs) von einem undatierten Entwurf benannte sogar die Notwendigk (...)

8Wegen der bevorstehenden Landung der Alliierten und aus Angst vor den Verbrechen, die deutsche Truppen bei ihrem Rückzug begehen könnten14, musste der Rechtsrahmen zur Verhaftung und Aburteilung feindlicher Angeklagter dringend geklärt werden. Zu diesem Zeitpunkt war die am 3. Juni 1944 gegründete provisorische Regierung Frankreichs jedoch international nicht anerkannt. Infolgedessen standen die gaullistischen Juristen vor der Herausforderung, ihre Rechtsnormen unabhängig von den alliierten Zivilverwaltungsstrukturen binnen kurzer Zeit durchzusetzen. Zu diesem Zweck befasste sich das Commissariat à la Justice unter der Führung von François de Menthon15 seit Juli 1944 mit der Erstellung einer Rechtsgrundlage für die Bestrafung von Kriegsverbrechen. Den Richtlinien von Cassins Bericht folgend argumentierten die Juristen des Commissariat à la Justice für eine Ergänzung der bestehenden Bestimmungen des französischen Strafgesetzbuches, die sowohl Kriegsgefangene als auch die Zivilbevölkerung im Ausland erfassen sollte.16 Es wurde also eine Rechtspolitik umgesetzt, die zur Strafverfolgung beider Arten von Kriegsverbrechen – innerhalb und außerhalb des eigenen Staatsgebietes – bestimmt war.

  • 17 Der Text dieser Verordnung ist im Online-Verzeichnis der französischen Gesetzgebung verfügbar: www. (...)

9Am 28. August 1944 trat die Verordnung zur Bestrafung von Kriegsverbrechen (Ordonnance relative à la répression des crimes de guerre) in Kraft. Im Artikel 1 definiert die Verordnung die zu schützenden Personen mithilfe der französischen Staatsangehörigkeit. Weiteren Personengruppen, die keine französische Staatsangehörigkeit besaßen, wurde ebenfalls Schutz gewährt, darunter Personen die in ein zu Frankreich gehöriges Gebiet geflüchtet waren, Personen, die in der französischen Armee gekämpft hatten, Staatenlose oder Flüchtlinge die sich vor dem 17. Juni 1940 auf französischem Gebiet aufgehalten hatten.17 Auf diese Weise brachten die gaullistischen Juristen die eindeutige Absicht zum Ausdruck, Straftaten an Deportierten, Internierten und Zwangsarbeitern auch im Ausland zu ahnden.

  • 18 Materielle Normen sind Normen, die sich auf das materielle Strafrecht beziehen. Unter materiellem S (...)
  • 19 Cf. Artikel 301 des französischen Strafgesetzbuches von 1810.
  • 20 Cf. Artikeln 341, 342 und 343 des französischen Strafgesetzbuches von 1810.

10Die provisorische Regierung Frankreichs bezog sich bei der Definition der Verbrechen sowohl auf das Strafgesetzbuch als auch auf das Militärstrafgesetzbuch, indem materialrechtliche Normen18 durch Interpretation der im französischen Strafrecht definierten Delikte geschaffen wurden. Die Ermordung in den Gaskammern wurde im Artikel 2 (Ziffer 3) etwa als Vergiftung aufgefasst.19 Die Autoren verzichteten in der Definition der Delikte allerdings auf völkerrechtliche Verbotsnormen (Moisel, 2002: 90-92). Diese Entscheidung, sich auf das national geltende Recht zu beziehen und keine Bezüge zum Völkerrecht herzustellen, hatte bemerkenswerte Folgen für die Bestimmung neuartiger Delikte. Bei der Definition der Zwangsbeschäftigung und der Deportation der Zivilbevölkerung gerieten die Juristen etwa an die Grenzen des nationalen Strafrechts. Das Verbot der Zwangsarbeit orientierte sich am Delikt der Freiheitsberaubung20, welches aber durch den Zusatz ergänzt werden musste, dass die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung nur in den Fällen bestand, die durch das Kriegsrecht nicht geregelt waren.

  • 21 Note sur la recherche, la poursuite et le jugement des criminels de guerre en Allemagne [Oktober 19 (...)

11Trotz der Fortführung des alliierten Befreiungsfeldzuges auf deutschem Territorium und der Möglichkeit der Ermittlungen vor Ort kam die Verordnung von 1944 außerhalb Frankreichs kaum zur Anwendung. Ein interner Bericht der Justizbehörden in der französischen Besatzungszone nannte im Oktober 1946 als Grund hierfür die Beschränkung des Textes auf die Bestimmungen des französischen Strafgesetzbuches.21

Baden-Baden: Die französische Besatzung und das Projekt einer Verfolgung auf der Grundlage des Völkerrechts

  • 22 Proclamation Nr. 1, in: Military Government Gazette, Germany, 21 Army Group Area of Control (…), Ja (...)
  • 23 Ordinance Nr. 1, in: Military Government Gazette, Germany, 21 Army Group Area of Control (…), Jahrg (...)
  • 24 Die Ordinance Nr. 2 von Eisenhower war die Rechtsgrundlage, die die Gerichtsorganisation und den Ab (...)

12Die Strafverfolgung der Kriegsverbrechen auf deutschem Territorium war für die Alliierten ein erklärtes Besatzungsziel. In einer ersten Erklärung an die deutsche Bevölkerung (Proclamation Nr. 1) übernahmen die Supreme Headquarters of the Allied Expeditionary Forces (SHAEF) „die höchste gesetzgebende, rechtssprechende und vollziehende Machtbefugnis und Gewalt in dem besetzten Gebiet“.22 Zur gleichen Zeit setzte die Ordinance Nr. 1 mit der Bezeichnung „Crimes and Offenses“ eine Reihe von Strafbestimmungen zum Schutz der Besatzungstruppen und der Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung durch. Dabei wurde „jeder Verstoß gegen das Kriegsrecht“ (Ziffer 20) unter Strafe gestellt.23 Die Ordinance Nr. 2 von SHAEF sah außerdem die Errichtung von Gerichten der Militärregierung vor und legte die Regeln der dort zu führenden strafrechtlichen Verfahren fest.24 Diese Bestimmungen bildete die Grundlage für alliierte Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher in Deutschland.

13Bei der Konferenz von Jalta im Januar 1945 wurde die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen im besetzten Deutschland vereinbart. Das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 beschränkte sich auf die Einrichtung eines Internationalen Militärtribunals (IMT) zur Aburteilung der major war criminals. Erst als der Prozess vor dem IMT in Nürnberg begonnen hatte, liefen die Entwurfarbeiten im Rahmen des am 30. August 1945 gegründeten Alliierten Kontrollrat an, um eine gemeinsame Rechtsgrundlage für die Strafverfolgung der NS-Kriminalität in den deutschen Besatzungszonen zu schaffen.

  • 25 Confidentiel, Autorité alliée de Contrôle, Comité de coordination, Procès-verbal de la 22eme réunio (...)

14Inzwischen hatte sich die Idee durchgesetzt, die Strafverfolgung der Kriegsverbrechen – auch die Gerichtsverfahren in den Besatzungszonen – an völkerrechtlichen Normen auszurichten. Als Grundlage bezogen sich die gaullistischen Juristen auf Konzepte, die bereits für das IMT erarbeitet worden waren und die über das bestehende Kriegsrecht hinausgingen. Eugene Aroneanu, ehemaliger Widerstandkämpfer und Jurist rumänischer Herkunft, argumentierte, eine Verbotsnorm der crimes contre l’humanité müsse das Ziel haben, die Souveränität des Staates gegenüber der eigenen Bevölkerung und gegenüber allen anderen Zivilisten einzuschränken. Diese Verbotsnorm sollte von den Bestimmungen des Kriegsrechts gelöst werden und die Grundlage eines eigenständigen Völkerstrafrechts zum Schutz der Grundfreiheiten der Menschen gegen staatliche Willkür bilden (Aroneanu, 1946: 37-38). Protokolle der Sitzungen des Alliierten Kontrollrates belegen, dass die französische Militärregierung die Übernahme des Konzepts eines crime contre l’humanité aus dem IMT-Statut unterstützte. 25

  • 26 Der Oberbefehlshaber der französischen Zone, Pierre-Marie König, hatte am 5.12.1945 sein Einverstän (...)

15Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 (folgend KRG Nr. 10) zur Bestrafung der Kriegsverbrechen sowie der Verbrechen gegen den Frieden und die Menschheit wurde am 20. Dezember 1945 verabschiedet.26 Das Gesetz zielte auf die Errichtung einer einheitlichen Rechtsgrundlage zur Ahndung von Kriegsverbrechern im breiteren Sinne, die nicht in die Zuständigkeit des Internationalen Militärtribunals fielen. Die Moskauer Deklaration von 1943 sowie das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 zur Aburteilung der major war criminals wurden als integrale Bestandteile in das Gesetz aufgenommen.

  • 27 Vgl. Fußnote S. 17.
  • 28 Vgl. den Artikel des Kontrollratsgesetzes Nr. 10. Zu den historischen Hintergründen, vgl. Nations U (...)

16In der Kontinuität des Londoner Abkommens enthielt das KRG Nr. 10 in seinem materiellen27 Teil zwei Tatbestände, die erstmals ins Völkerrecht integriert wurden und der Präzedenzlosigkeit der deutschen Massenverbrechen Rechnung trugen. Zum einen stellte das Gesetz die Vorbereitung und die Durchführung eines Angriffskrieges unter Strafe.28 Zum anderen führte das KRG Nr. 10 das Menschheitsverbrechen als neuen Tatbestand auf.

  • 29 Loi Nr. 10 relative au châtiment des personnes coupables de crime de guerre, de crime contre la pai (...)
  • 30 Ordonnance No 36 du Commandant en Chef relative à la répression des Crimes de Guerre, contre la Pai (...)
  • 31 Ordonnance No 20 du Commandant en Chef sur la répression des crimes de guerre, in: Journal Officiel (...)

17Im Vergleich zu den Bestimmungen des IMT-Statuts hatten die Autoren des Kontrollratsgesetzes den Menschheitsverbrechen drei zusätzliche Tatbestände hinzugefügt: Freiheitsberaubung, Folter und Vergewaltigung.29 Zudem hob das Gesetz den Zusammenhang zwischen Menschheitsverbrechen und Krieg auf, was ermöglichte, Straftaten zu ahnden, die vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges begangen wurden (Form, 2007: 54). Durch die Verordnung Nr. 36 vom 25. Februar 1946 erweiterte der französische Zonenbefehlshaber die Zuständigkeit der Zonengerichte auf das Kontrollratsgesetz Nr. 10.30 Er schuf damit die Grundlage für die Durchführung der französischen Ahndung von Kriegsverbrechen im besetzten Deutschland. Hier entschied sich die französische Militärregierung dezidiert für die Option einer koordinierten Ahndungspolitik, die auf der Grundlage des Völkerrechts in enger Abstimmung mit den anderen Alliierten erfolgen sollte. Die vorherige Rechtsgrundlage (Verordnung Nr. 20 vom 25. November 1945) hatte lediglich auf die „Definition [der Kriegsverbrechen], wie sie in den geltenden Abkommen zwischen den Besatzungsmächten [vorlag]“ zurückgegriffen und keine Bestimmung zum Menschheitsverbrechen enthalten.31

  • 32 So berichtete der Mannheimer Morgen am 14. Oktober 1949 anlässlich der Schließung des Tribunal spéc (...)
  • 33 Direction Générale de la Justice à Monsieur l’Ambassadeur de France, Haut-Commissariat de la Républ (...)

18Auf diesen Grundlagen nahm das Programm zur Ahndung der deutschen Kriegsverbrechen in Deutschland ab März 1946 seinen Verlauf. Die Prozesse wurden von manchen Zeitungen als ein „Nürnberg der französischen Zone“ verstanden.32 In einer Schlussbilanz stellten die Besatzungsbehörden 1953 fest, dass insgesamt 2130 Personen angeklagt worden waren, von denen 1639 verurteilt und 491 freigesprochen wurden.33 Im Nachhinein lässt sich erkennen, dass französische Besatzungsgerichte der ersten Instanz in mehr als 124 Verfahren, darunter in großen Prozesse gegen das Personal von Konzentrationslagern, explizit auf den Tatbestand des Menschheitsverbrechens Bezug genommen haben.

19Ziel dieses Aufsatzes war es, die justizpolitischen Ursprünge der französischen Kriegsverbrecherprozesse im besetzten Deutschland aufzuzeigen. Dafür hat sich eine Periodisierung als sinnvoll erwiesen, die die verschiedenen Bedingungen der gaullistischen Rechtspolitik in drei Etappen nachzeichnet. In London ging es den Juristen des gaullistischen Widerstands vor allem darum, die Bedingungen für eine zukünftige Ahndung der deutschen Kriegsverbrechen zu entwerfen. Unter dem Einfluss der Alliierten legten sie einen starken Akzent auf die Schaffung eines neuen Völkerrechts, um der Einzigartigkeit der deutschen Massenverbrechen Rechnung zu tragen. Der Rückgriff auf das Völkerrecht sollte es zudem erlauben, Probleme der Ahndung außerhalb des nationalen Staatsgebietes zu lösen. In Algier versuchten die Justizbehörden der provisorischen Regierung Frankreichs, die Strafverfolgung der deutschen Kriegsverbrechen auf die Grundlage des national geltenden Strafrechts zu stützen. Dies schränkte die Möglichkeiten, neue Delikte strafbar zu machen, spürbar ein. Die Verordnung zur Bestrafung der feindlichen Kriegsverbrechen kam außerhalb Frankreichs nicht zur Anwendung. In der französischen Besatzungszone mit Sitz in Baden-Baden bekamen die französischen Gerichte schließlich eine Grundlage zur Strafverfolgung der deutschen Verbrechen auf deutschem Territorium, die wesentliche völkerrechtliche Elemente enthielt. Das alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 10 übernahm zwar Ansätze, die französische Juristen beim IMT eingebracht hatten. Dieses Gesetzwerk und das System der Strafverfolgung von Kriegsverbrechen im besetzten Deutschland waren aber wesentlich durch amerikanische Rechtsvorstellungen geprägt.

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Archives nationales, fonds du Ministère de la Justice, sous-série bb-30, service de recherche des crimes de guerre (1941-1949), carton 1791, « Correspondance du Service de recherche des crimes de guerre ennemis (SRCGE) avec la Délégation de la France à la Commission des Nations Unies pour les crimes de guerre (United Nations War Crimes Commission, UNWCC, 1943-1948 ».

Ministère des Affaires Étrangères, archives diplomatiques, fonds du Haut-Commissariat de la République Française en Allemagne, sous-série Affaires judiciaires, carton 1-AJ-4429, dossier 8451 « Notes à l’attention de Service crimes de guerre ».

Ministère des Affaires Étrangères, archives diplomatiques, fonds du Haut-Commissariat de la République Française en Allemagne, sous-série Affaires judiciaires, carton 1-AJ-4438, dossier 8595 « Loi No. 10 ».

Bundesarchiv Koblenz, Aktenbestand ALLPROZ 10 Französische Prozesse in Deutschland (1946-1955), Aktenordner Nr. 9, „Presseausschnittsammlung zu den Rastatter Kriegsverbrecherprozessen“.

Ministère des Affaires Étrangères, archives diplomatiques, fonds du Haut-Commissariat de la République Française en Allemagne, sous-série Affaires judiciaires, carton 1-AJ-4315, dossier 4774 „Statistique des jugements et condamnations“.

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Anmerkungen

1 Die Rechtsgrundlage war das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 10 zur Bestrafung von Kriegsverbrechern, Verbrechen gegen den Frieden und Menschheitsverbrechen vom 20. Dezember 1945.

2 Zusätzlich zu den Delegierten der France Libre waren die Exilregierungen der Tschechoslowakei, Belgiens, Griechenlands, Luxemburgs, der Niederlande, Norwegens, Polens und Jugoslawiens vertreten.

3 André Gros (1908-2003) war ein französischer Jurist und Professor der Rechtswissenschaft. Ab 1943 arbeitete er als Rechtsberater des Commissariat aux affaires étrangères des Freien Frankreichs und vertrat Frankreich bei der United Nations War Crimes Commission in London. Nach dem Krieg beriet er die französische Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz (1946) und wurde später Richter am Internationalen Gerichtshof in den Haag. Vgl. ohne Verfasser, Dictionnaire biographique français contemporain. 1954-1955, S. 268.

4 Im Juli 1942 schloss sich der im besetzten Frankreich agierende Widerstand mit dem gaullistischen Widerstand in London (France Libre) zur France Combattante zusammen.

5 André Gros: Note sur la répression des crimes de guerre, adressée à Monsieur le Commissaire National aux Affaires Étrangères, 21.03.1943, 10 P. Archives nationales, AN-bb-30-1791.

6 Das Comité francais de la Libération nationale (France combattante) übernahm am 3. Juni 1943 die politische Führung des gaullistischen Widerstands und löste damit das Comité national français von London ab.

7 CFLN [Comité français de Libération nationale]:Émission radiophonique. Information. (…) 29 septembre 1943, P. 1. Archives nationales, AN-bb-30-1785.

8 Die englische Bezeichnung « no particular geographical localization » ist irreführend. Es handelte sich um Verbrechen, die aufgrund ihrer übernationalen Reichweite nicht von einem einzelnen Nationalstaat geahndet werden konnten. Vgl. Staff of the Committee and the Department of State (1950): The Moscow Conference [of] October 1943, in: A Decade of American Foreign Policy: Basic Documents, 1941-1949, Washington, DC (Government Printing Office), http://avalon.law.yale.edu/wwii/moscow.asp (abgerufen am 05.10.2013).

9 René Cassin (1896-1976) war Jurist und Verfechter der Menschenrechte. In der Zwischenkriegszeit engagierte er sich in internationalen Zusammenschlüssen von Kriegsverwundeten. Während des Zweiten Weltkrieges schloss er sich dem Widerstand an, beriet General de Gaulle bei wichtigen Rechtsfragen und vertrat das Freie Frankreich bei internationalen Konferenzen. In September 1941 wurde er zum Commissaire à l’Education Nationale et à la Justice des Comité National Français ernannt. Er beteiligte sich an der rechtspolitischen Gestaltung der Libération und war Mitverfasser der Universellen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Vgl. Michèle Cointet et Jean-Paul Cointet (Hg.): Dictionnaire historique de la France sous l’Occupation. Paris (Tallendier) 2000, p. 134. Vgl. auch Marc Agi: René Cassin. Fantassin des droits de l’homme. Paris (Plon) 1979.

10 Deuxième rapport du Professeur Cassin, Délégué de la France Libre à la Commission des Nations Unies pour les Crimes de Guerre, Alger, le 9 mai 1944, S. 10, Archives Nationales, BB-30-1785. [Übersetzung: Daniel Bonnard.]

11 Ebenda, S. 13. [Übersetzung: Daniel Bonnard.] Französische Originalfassung: (…) des centaines de milliers de Juifs de toutes nations et de Russes ont péri par les gaz. La déclaration des Alliés n’a protégé que leurs combattants.

12 Ebenda, S. 15.

13 Ebenda.

14 Die größten Massaker an der Zivilbevölkerung ereigneten sich 1944, insbesondere in Oradour-sur-Glane, Maillé, Tulle und Ascq. Insgesamt zählt man dazu mehr als zwanzig Massaker, die im Rahmen der Rückzugsoperationen von deutschen Truppen begangen wurden. Vgl. Peter Leib (2007): Répression et massacres. L’occupant allemand face à la résistance française, 1943-1944, in: Eismann, Gaël und Stefan Martens (Hg.): Occupation et répression militaire allemandes, 1939-1945. La politique de maintien de l’ordre en Europe occupée, Paris (Autrement), S. 179-184.

15 Francois de Menthon (1900-1984) war ein französischer Jurist, Widerstandkämpfer und christlicher Politiker. Als Gründer einer Widerstandgruppe wurde er im besetzten Frankreich verfolgt und siedelte daher nach London über. In September1943 übernahm er in Algier das Amt des Justizkommissars im Comité français de libération nationale und später des Justizministers in der provisorischen Regierung Frankreichs. Nach dem Krieg ernannte ihn De Gaulle zum Chefankläger der französischen Delegation beim Internationalen Militärtribunal in Nürnberg. Vgl. Cointet, Michèle und Jean-Paul Cointet (Hg.) (2000) : Dictionnaire historique de la France sous l’Occupation. Paris (Tallendier), p. 488-489.

16 Die Begründung (Explication des motifs) von einem undatierten Entwurf benannte sogar die Notwendigkeit, deutsche Verbrechen gegen Alliierte auch im Ausland zu ahnden. Archives nationales, AN-BB-30-1785.

17 Der Text dieser Verordnung ist im Online-Verzeichnis der französischen Gesetzgebung verfügbar: www.legifrance.gouv.fr (22.05.2013, 12.00).

18 Materielle Normen sind Normen, die sich auf das materielle Strafrecht beziehen. Unter materiellem Strafrecht wird das Strafrecht im eigentlichen Sinne in Abgrenzung zum formellen Strafrecht verstanden, das sich mit dem Ablauf des Verfahrens beschäftigt. Das materielle Strafrecht bestimmt dagegen die Grundsätze, die für alle Straftaten gelten, aber auch die Merkmale der einzelnen Straftaten sowie die damit verbundenen Strafsanktionen.

19 Cf. Artikel 301 des französischen Strafgesetzbuches von 1810.

20 Cf. Artikeln 341, 342 und 343 des französischen Strafgesetzbuches von 1810.

21 Note sur la recherche, la poursuite et le jugement des criminels de guerre en Allemagne [Oktober 1946], [Wahrscheinlich] Direction Générale de la Justice, Baden-Baden, p. 1, Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Dossier du SRCGE „Notes à l’attention de Service crimes de guerre“, MAE-HCRFA-1-AJ-4429-8451.

22 Proclamation Nr. 1, in: Military Government Gazette, Germany, 21 Army Group Area of Control (…), Jahrgang 1944, Ausgabe Nr. 1, S. 1. Die Seite V enthält die Notiz: “Der Tag der Verkündung aller Gesetze und Verfügungen der Militärregierung, die in dieser Ausgabe des Amtsblattes der Militärregierung enthalten sind, ist der 18. September 1944, an welchem Tage die Besatzung begann.“ [Aus der amtlichen deutschen Übersetzung]

23 Ordinance Nr. 1, in: Military Government Gazette, Germany, 21 Army Group Area of Control (…), Jahrgang 1944, Ausgabe Nr. 1, S. 3.

24 Die Ordinance Nr. 2 von Eisenhower war die Rechtsgrundlage, die die Gerichtsorganisation und den Ablauf der Verfahren in der Besatzungszone bis zur umfassenden Reform der Besatzungsjustiz in September 1948 regelte. Ordinance Nr. 2, in: Military Government Gazette, Germany, 21 Army Group Area of Control (…), Jahrgang 1944, Ausgabe Nr. 1, S. 7-9.

25 Confidentiel, Autorité alliée de Contrôle, Comité de coordination, Procès-verbal de la 22eme réunion du Comité de coordination, 23 novembre [1945] [...], Archives diplomatiques, Dossier SRCGE Loi No 10, MAE-HCRFA-1-AJ-4438_8595.

26 Der Oberbefehlshaber der französischen Zone, Pierre-Marie König, hatte am 5.12.1945 sein Einverständnis zur Verabschiedung des Gesetzes per Telegramm gegeben. Vgl. Archives diplomatiques, Dossier du SRCGE „Loi No 10“, MAE-HCRFA-1-AJ-4438-8595.

27 Vgl. Fußnote S. 17.

28 Vgl. den Artikel des Kontrollratsgesetzes Nr. 10. Zu den historischen Hintergründen, vgl. Nations Unies, Commission préparatoire de la Cour pénale internationale, Groupe de travail sur les crimes d’agression, Analyse historique des faits relatifs à l’agression, New-York 2002, S. 64 ff, verfügbar online unter : http://0-untreaty-un-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/cod/icc/documents/aggression/aggressiondocs.htm (14.05.2013, 11.00).

29 Loi Nr. 10 relative au châtiment des personnes coupables de crime de guerre, de crime contre la paix et contre l’humanité, in : Journal Officiel du Commandant en Chef Français en Allemagne, Nr. 12, 11.01.1946, S. 84 [Nach der abdruckten deutschsprachigen Fassung].

30 Ordonnance No 36 du Commandant en Chef relative à la répression des Crimes de Guerre, contre la Paix et l'Humanité et de l'affiliation à des associations criminelles, in : Journal Officiel du Commandant en Chef Français en Allemagne, Nr. 17, 08.03.1946.

31 Ordonnance No 20 du Commandant en Chef sur la répression des crimes de guerre, in: Journal Officiel du Commandant en Chef Français en Allemagne, Nr. 8, 12.12.1945, S. 49.

32 So berichtete der Mannheimer Morgen am 14. Oktober 1949 anlässlich der Schließung des Tribunal spécial pour le jugement des crimes de guerre. Ähnliche Formulierungen im Neuen Tagesblatt (Osnabrück) und in der Nordseezeitung (Bremen) lassen vermuten, dass die Militärregierung auf den Inhalt der Berichterstattung Einfluss genommen hat. Vgl. Bundesarchiv Koblenz, AllProz 10, No. 9.

33 Direction Générale de la Justice à Monsieur l’Ambassadeur de France, Haut-Commissariat de la République en Allemagne – Cabinet, à l’attention de Monsieur Bourely. Statistique en matière de répression des crimes de guerre, Archives du Ministère des Affaires Étrangères, Dossier du SCRCGE Statistique des jugements et condamnations, MAE-HCRFA-1-AJ-4315-4774.

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Zitierempfehlung

Online-Version

Daniel Bonnard, Die Ursprünge der französischen Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland (1942-1945)Trajectoires [Online], 7 | 2013, Online erschienen am: 18 Dezember 2013, abgerufen am 02 Dezember 2024. URL: http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/trajectoires/1077; DOI: https://0-doi-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/10.4000/trajectoires.1077

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Autor

Daniel Bonnard

Doktorand am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte, Frankfurt am Main, bonnard@uni-marburg.de

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