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Karl May in Frankreich: eine verfehlte Rezeption?

Éric Leroy du Cardonnoy und Corona Schmiele

2012 jährte sich zum hundertsten Mal der Todestages Karl Mays, dieses Erfolgsautors, dessen Texte auch heute noch an zweiter Stelle gleich hinter der Lutherbibel rangieren, was Übersetzungen deutscher Texte in andere Sprachen betrifft. Wenn sich auch seine Produktion zunächst nicht ausschließlich auf Jugendliteratur beschränkte, so ist es doch unbestreitbar diese, die ihn zu Lebzeiten berühmt gemacht hat und noch heute seine Popularität ausmacht. Die Nummer der Revue will der Frage nachgehen, wie sich die seit dem 19. Jahrhudert und bis heute ausgebliebene Rezeption des Autors in Frankreich erklären lässt.

Historische Gründe, die offensichtlich sind, mögen dafür verantwortlich sein, dass sein Name nicht über den Rhein gedrungen ist (der Deutsch-Französische Krieg von 1870, innereuropäische Rivalitäten zwischen beiden Ländern, die beiden Weltkriege), doch mögen andere Faktoren mitspielen. Die Jugendliteratur erlebt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen nie gesehenen Aufschwung, und Frankreich hat selbst Autoren, die den neuen Markt besetzen. Es sieht jedoch auch so aus, als ob die französische Phantasiewelt nicht im gleichen Maß, jedenfalls nicht in der gleichen Weise von der Neuen Welt geprägt worden sei wie die deutsche, vielleicht weil Frankreich, im Gegensatz zu Deutschland eine seit langem in bestimmten Teilen der Welt etablierte Kolonialmacht war.

Die Nummer von Strenae setzt sich zum Ziel, den Ursachen und Erscheinungsformen dessen nachzugehen, was wie eine verfehlte Rezeption Karl Mays in Frankreich aussieht; es soll darum gehen, über die unterschiedlichen Vorstellungswelten beider Länder im europäischen Kontext nachzudenken, sowie über die Rolle der Neuen Welt für die französische Leserschaft. Auch das Interesse am Orient, das sich in manchen Romanen Karl Mays spiegelt, scheint nicht den Erwartungen der französischen Leser zu entsprechen oder doch nicht den gleichen Widerhall zu finden oder gar in Konkurrenz zu den französischen Autoren zu treten, die um diese Thematik kreisen. Es soll auch die Frage nach den Übersetzungen der Werke von Karl May berücksichtigt werden, sei es im Zusammenhang mit verlegerischen Entscheidungen oder Verlagspolitik, sei es in Bezug auf eine besondere Auffassung vom Übersetzen und seinen Gründen oder auch im Hinblick auf eine Leserschaft und ihre besonderen Wünsche und Ansprüche.

Schließlich können die Verfilmungen und die vom Karl-May-Verlag getroffenen kommerziellen Entscheidungen eine Achse der Untersuchungen bilden. Hat man es als Ironie der Geschichte aufzufassen, dass der französische Schauspieler Pierre Brice, der im französischen Film, Oliver Schwehm zufolge, völlig unbekannt geblieben ist, den Winnetou verkörpert, diese wohl berühmteste Figur der Romane Karl Mays, und dass er durch die Verbreitung in diesem Medium dazu beigetragen hat, den Namen des Autors, noch bekannter zu machen?

Ein Abstract des geplanten Vortrags von 1500 bis 2000 Zeichen, bitte an die folgende Adresse schicken: strenae@revues.org

Termine :

- Abgabe des Abstracts: 1. August 2013

- Abgabetermin der ausgewählten Texte: 31. Dezember 2013

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