Von der externen Hilfe zur Mobilisierung lokaler Ressourcen
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- 1 United Nations, Report on the International Conference on Financing for Development, Monterrey, Mex (...)
- 2 Bruno Gurtner, „Internationale Finanzbeziehungen“, in Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspoli (...)
1Seit fünf Jahren hat sich das Abkommen von Monterrey über Entwicklungsfinanzierung1 bei den Akteuren der Entwicklungszusammenarbeit als Referenz durchgesetzt. Der „Konsens von Monterrey“, ein aus zwischenstaatlichen Verhandlungen hervorgegangener politischer Kompromiss, enthält in den Augen mancher Beobachter „wenig griffige Verpflichtungen und umschiffte strittige Fragen mit vagen Formulierungen“2. Im Jahr 2008 wird in Doha eine Folgekonferenz zu den in Monterrey eingegangenen Verpflichtungen abgehalten. In Erwartung der Ergebnisse dieses Treffens befasst sich das vorliegende Dossier mit einigen der auf der Konferenz in Monterrey 2002 präsentierten Themenbereiche. Unter diesen Themen identifiziert das Dossier insbesondere die Mobilisierung lokaler Ressourcen als entscheidende Massnahme für eine wirksame Entwicklungsfinanzierung.
2Inwiefern brachte der Monterrey-Konsens eine neue Dimension ein ? Zwei wesentliche Fortschritte lassen sich diesbezüglich anführen. Der erste besteht zweifellos darin, mit einem breiten Ansatz an die Frage der Entwicklungsfinanzierung herangegangen zu sein und die Hauptschwerpunkte ermittelt zu haben : Mobilisierung interner finanzieller Ressourcen ; Direktinvestitionen und sonstige ausländische Privatkapitalbeiträge ; Welthandel ; öffentliche Entwicklungshilfe ; Schuldenerlass ; Überprüfung der internationalen Währungs-, Finanz- und Handelssysteme. Ohne die Bedeutung der öffentlichen Entwicklungshilfe in Abrede zu stellen, kam die Konferenz zum Schluss, dass eine Unterstützung von aussen, so massiv sie auch sein mag, niemals die für die Volkswirtschaften notwendigen grundlegenden Reformen ersetzen kann. Das zweite Ergebnis besteht darin, die Verantwortung für die Entwicklungsfinanzierung durch eine Partnerschaft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern aufzuteilen. Diese neue globale Partnerschaft verpflichtet die Entwicklungsländer einerseits, ihre Verantwortlichkeiten in Bezug auf politische Reformen und Good Governance zu übernehmen, und die Industrieländer andererseits, das Volumen der öffentlichen Entwicklungshilfe zu erhöhen und die Qualität der Hilfe zu verbessern. Eine der zentralen Verpflichtungen des Konsenses von Monterrey betrifft die Öffnung der Märkte der Industriestaaten für die Produkte der Länder des Südens.
- 3 Programme des Nations unies pour le développement (PNUD), Rapport mondial sur le développement huma (...)
- 4 Kevin Watkins, Cultiver la pauvreté. L’impact des subventions américaines au coton sur l’Afrique, D (...)
3Entgegen weit verbreiteten Anschauungen zu der scheinbar entscheidenden Aufstockung der externen Beiträge ist die Mobilisierung der internen Ressourcen zweifelsohne der stärkste Imperativ und die wesentlichste Antriebskraft der Entwicklung. Der erste Weg hierzu führt über die Entlohnung der Produktionstätigkeiten. Zwei Drittel der Menschen, die heute mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen, arbeiten in ländlichen Gebieten, wo die Landwirtschaft weiterhin ausschlaggebend ist. Ihre Einkommen werden aber direkt von den aktuellen Regeln des internationalen Agrarhandels betroffen. Hätte Afrika südlich der Sahara im Jahr 2003 den gleichen Anteil an den Weltausfuhren wie 1980 gehabt, so hätten seine Deviseneinnahmen in etwa dem achtfachen Entwicklungshilfebetrag entsprochen, den es in jenem Jahr erhielt. Die 25 000 Baumwollproduzenten in den Vereinigten Staaten erhalten über vier Milliarden Dollar an Subventionen pro Jahr, eine Summe, die über dem gesamten Nationaleinkommen eines Baumwolle produzierenden Landes wie Burkina Faso liegt. Die Einkommenssteigerung der Produzenten ist eine der Voraussetzungen für die Erhöhung der Einnahmen der Staaten. Seit Beginn der 2001 von der Welthandelsorganisation in Doha eingeleiteten „Entwicklungsrunde“ haben sich die reichen Länder verpflichtet, ihre Agrarsubventionen zu reduzieren. Seitdem sinddiese Verhandlungen ins Stocken geraten. Die Industrieländer geben heute etwas über eine Milliarde Dollar im Jahr an Beihilfen für die Landwirtschaft in den armen Ländern und etwas weniger als eine Milliarde Dollar pro Tag an Subventionen für die nationale Überproduktion aus3. In Afrika machen die Verluste infolge der US-amerikanischen Baumwollsubventionen ein Viertel der gesamten Hilfe der USA an die Subregion aus4. Angesichts derartiger Ungleichgewichte wäre es demnach inkonsequent, sich lediglich auf die finanzielle Ebene zu beschränken und diese wesentlichen Faktoren zu übergehen, die für die Einkommen und die Situation der weltweit zu den bedürftigsten zählenden Bevölkerungsgruppen bestimmend sind.
4Der Zugang zum Markt des Nordens steht, obwohl er wesentlich ist, nicht im Mittelpunkt dieses Dossiers. Die Wahl des Redaktionskomitees fiel auf die Verwaltung der öffentlichen Finanzen als Beitrag zu guter finanzieller Gouvernanz (Good Financial Governance) einerseits und auf die Mobilisierung nationaler Ressourcen zur Entwicklungsfinanzierung andererseits. Diese beiden Ansätze bilden den Leitfaden des Dossiers des Schweizerischen Jahrbuchs für Entwicklungspolitik. Die verschiedenen Beiträge befassen sich hauptsächlich mit den notwendigen politischen Reformen, um die Entwicklungsfinanzierung effizienter zu machen. Ferner untersuchen sie die Rolle der internationalen Entwicklungszusammenarbeit in einem Kontext, der durch Versuche zur Harmonisierung der Hilfe im Rahmen der Pariser Erklärung und durch die Festsetzung gemeinsamer messbarer Ziele gemäss den Millenniums-Entwicklungszielen (MDG) geprägt ist. Das Dossier analysiert die zuweilen zweideutige Rolle der internationalen Entwicklungszusammenarbeit bei der Verwaltung der öffentlichen Finanzen der Entwicklungsländer im Allgemeinen und durch den Einsatz eines spezifischen Instruments, der Budgethilfe. Zum anderen werden die verschiedenen Wege vorgestellt und erörtert, die zur effizienteren Mobilisierung nationaler Ressourcen führen, nämlich die unerlässliche Verbesserung der Steuersysteme, die Ausdehnung der Mikrofinanznetze (Mikrokredit und Mikroversicherung), der Kreditzugang, vor allem im Rahmen der Wirtschaftsliberalisierung, und die mutmasslichen Auswirkungen der Gewinne aus der Erdölförderung auf die Entwicklung.
Inhalt des Dossiers
1. Teil. Finanzflüsse: Ideologie und Fakten
5Seit einem halben Jahrhundert der Entwicklungspolitik basiert die dominante Logik auf einem einfachen Rechenexempel: Was die Gewinne aus der Ausfuhr von Gütern, Dienstleistungen oder Migrantenarbeit letztendlich nicht in die Zahlungsbilanzen einbringen, das müssen sich die Volkswirtschaften hauptsächlich durch Anlagen, Auslandsinvestitionen und internationale Entwicklungshilfe beschaffen. Das Monterrey-Abkommen von 2002 anerkennt, dass die Kapazitäten zur Mobilisierung dieser andersartigen Ressourcen je nach dem Entwicklungsgrad der betroffenen Länder variieren. Das Abkommen bekräftigt die Notwendigkeit, die multilaterale und bilaterale Hilfe zugunsten der ärmsten Länder zu erhöhen, um im Jahr 2015 die von den Vereinten Nationen festgelegten Entwicklungsziele besonders betreffend Einkommen, Gesundheit und Bildung zu erreichen.
- 5 Die kritischen Analysen der Methoden des Finanzsektors, die von Karl Polanyi in den ersten Kapiteln (...)
6Vergleicht man jedoch Diskurs und Praxis der ersten Entwicklungsdekaden mit den aktuellen Instrumenten, die von den Entwicklungsinstitutionen zur Dynamisierung des Wirtschaftswachstums eingesetzt werden, so ist der Kontrast frappant. An Stelle der üblichen technischen Zusammenarbeit trifft man heute Finanzinstrumente an. Die Welt wird mit finanziellen Lösungen überschwemmt, die soweit wie möglich auf private Initiativen zurückgehen, aber auch öffentlich oder gemischter Art sein können. Dabei kann es sich um die Zuweisung der Schuldenerlasse, um Besteuerungen mit verschiedenen Trägern (Luftverkehr, internationale Finanztransfers, Ökosteuern usw.), um Antizipation durch Anleihen auf nationale Steuereinnahmen, um Erträge aus den Anlagen von Stiftungen und sogar um Lotterien handeln. Eine weitere Veränderung ist die Mode des Mikrokredits. Hierbei handelt es sich um eine der vielfältigen Ausdrucksformen der Finanzialisierung, die sich im Laufe der letzten 25 Jahre unter dem Druck neoliberaler Ideologien ausgebreitet und intensiviert hat und den Finanz- und
Geldsektor zu einem wesentlichen, weil scheinbar neutralen Träger gemacht hat5. Diese Finanzialisierung auf internationaler und lokaler Ebene löst naive Begeiste rung aus, ruft konkreten Widerstand hervor, wenn Interessen direkt betroffen sind (z.B. der Sozialschutz in Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen), und bewirkt beträchtliche Spekulationsrisiken, die nicht einfach auf Wechselkursschwankungen reduziert werden können. Die Entwicklungspolitik wird somit gewissermassen vom „schwarzen Loch der Finanzialisierung“ aufgesogen, wie es der Titel des Artikels von Jean-Michel Servet suggeriert, der das Dossier eröffnet. Der Autor skizziert den neoliberalen Rahmen der Entwicklungsfinanzierung. Er schildert die Entwicklung der öffentlichen Hilfe und ihre politischen Zwänge, indem er sich Fragen bezüglich der realen und finanziellen Kapazitäten der Länder stellt, die externen Finanzierungsbeiträge zu absorbieren. In diesem Kontext fällt die Präsentation der neuen Finanzierungsinstrumente, die vorgeschlagen werden, um die zur Finanzierung der Millenniums-Entwicklungsziele bestimmten Ressourcen zu erhöhen, kritisch aus.
- 6 United Nations, World Economic Situation and Prospects 2007, New York, 2007, S. 58ff., http://www.u (...)
7Bruno Gurtner widerlegt in seinem Beitrag die überkommene Vorstellung, der Norden würde durch Entwicklungszusammenarbeit, günstige Kredite oder private Investitionen weitgehend zu den Finanzflüssen in die Entwicklungsländer beitragen. Der Autor untersucht die meisten internationalen Finanzflüsse – öffentliche Entwicklungshilfe, ausländische Direktinvestitionen (FDI), schuldenwirksame Kapitalflüsse – und analysiert sie im Einzelnen. Auf Statistiken gestützt, kommt er zur eindeutigen Schlussfolgerung: „Entwicklungs- und Schwellenländer sind Nettokapitalexporteure“. Er führt an, dass im Jahr 2006 658 Milliarden Dollar mehr vom Süden in den Norden flossen, als umgekehrt. Die Transitionsländer verzeichneten ihrerseits einen Nettoabfluss von 125 Milliarden Dollar6. Über blosse Zahlen hinaus haben die Kapitalflüsse vom Süden nach dem Norden negative Auswirkungen auf die Mobilisierung lokaler Ressourcen der Entwicklungsländer, deren Investitionsbedarf nicht durch nationale Mittel gedeckt werden kann. Hieraus ergibt sich ein Teufelskreis: Das Wachstum wird geschwächt und die Abhängigkeit vom Zufluss externer Mittel nimmt zu. Der Artikel schliesst mit Empfehlungen zur Schaffung von Rahmenbedingungen, die dem internationalen Finanzsystem Mindestgarantien bieten, um die Kapitalflucht zu begrenzen und die globalen Finanzflüsse besser zu regulieren.
2. Teil. Mobilisierung lokaler Ressourcen
- 7 Magnus Saxegaard, Excess Liquidity and Effectiveness of Monetary Policy : Evidence from Sub-Saharan (...)
- 8 So werden 53 % der Schuldscheine der afrikanischen Staaten südlich der Sahara von Handelsbanken geh (...)
8In finanzieller Hinsicht ist die Mobilisierung interner Ressourcen möglich, doch fehlt es oft am politischen Willen der Regierenden und der privaten Akteure. Das Bild von „armen Ländern, denen es an finanziellen Ressourcen mangelt“, ist weit verbreitet, wohingegen die Finanzanstalten vieler dieser Länder eine Position der Überliquidität aufweisen. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds, die 2004 in Afrika südlich der Sahara durchgeführt wurde, ergab, dass die Gesamtheit der afrikanischen Länder südlich der Sahara – mit Ausnahme von Gambia, Malawi und Sierra Leone – eine Situation der Überliquidität verzeichneten7. Die gleiche Feststellung lässt sich bei einer grossen Anzahl anderer Entwicklungsländer machen. Auf mikroökonomischer Ebene ist diese Überliquidität für die ärmsten Bevölkerungsgruppen ein Erfordernis, um sich gegen Existenzrisiken abzusichern, und stellt eine schwere Belastung dar. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit von Spar- und Versicherungsdienstleistungen und von Transfers für diese Bevölkerung. Zum anderen möchten die Banken nicht das Risiko eingehen, Darlehen an Privatpersonen zu vergeben, die keine gesicherten Garantien erbringen, und auch nicht an Klein- und Kleinstunternehmen. Sie ziehen es vor, Staaten Kredit zu erteilen8.
9In diesem zweiten Teil des Dossiers wird der Schwerpunkt auf die Mobilisierung lokaler Ressourcen für die Entwicklungsfinanzierung, und insbesondere auf vier Aspekte der Mobilisierung gelegt: 1. potenzielle Vorteile aus der Erschliessung natürlicher Ressourcen, 2. Mikrofinanz (Mikrokredit und Mikroversicherung), 3. Garantiefonds, 4. Zugang zu Bankkrediten.
Rohstoffe für die Entwicklungsfinanzierung: Das „Paradox des Überflusses“
10Die Rohstofferschliessung stellt eine wichtige Quelle an Devisen und Steuereinnahmen dar, die es erlauben sollten, die Entwicklungsbemühungen ganz oder teilweise zu finanzieren. In seinem Beitrag interessiert sich Gilles Carbonnier für den „Fluch der natürlichen Ressourcen“, indem er seine Beweisführung auf zwei Güter – Erdöl und Diamanten – stützt. Dabei wird das Phänomen, das von einigen Autoren als „Paradox des Überflusses“ bezeichnet wird, ausführlich beschrieben. Der Artikel untersucht die diversen Initiativen der internationalen Gemeinschaft, die bestrebt ist, den sich aus der Nutzung von Bodenschätzen ergebenden Herausforderungen nachzukommen. Als erste Initiative wird der „Kimberley-Prozess“ vorgestellt – ein Zertifizierungssystem für Diamanten, das den Diamantenverkauf durch Rebellengruppen zur Finanzierung ihrer Kämpfe „illegal“ machen soll. Das zweite Beispiel betrifft die „Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft“ (Extractive Industries Transparency Initiative, EITI). Sie verlangt von den Regierungen von Ländern, deren Einkommen weitgehend von der Rohstoffförderung abhängen, bezüglich dieser Einkünfte mehr Transparenz walten zu lassen. Dabei kommt der Autor zu folgender Feststellung: Wenn die beiden Initiativen auch das Verdienst haben, problematische Märkte zu regulieren zu versuchen, indem sie verschiedene Akteure (Regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Entwicklungsagenturen) einbeziehen, so bleiben die Ergebnisse indessen weit hinter den geweckten Hoffnungen zurück. Gewiss sind diese Initiativen „Ausdruck des gemeinsamen Willens, gegen den Fluch der Ressourcen anzukämpfen“, doch ist anzumerken, „dass es noch allzu oft am politischen Willen mangelt“.
11Ergänzend zum obigen Beitrag beschreibt Catherine Morand ihre Erfahrung vor Ort. Sie nahm an Begegnungen der afrikanischen Zivilgesellschaft teil, die sich zu mobilisieren versucht, um eine wirkliche Transparenz seitens der Regierungen und der im Ölsektor tätigen Firmen zu fordern. Die Autorin verweist auf Drohungen, Druck und auch Verhaftungen, denen Personen zum Opfer fallen, die für mehr Transparenz und für eine bessere Verwaltung der Einnahmen aus Erdöl und Bodenschätzen kämpfen.
Mikrofinanz, jenseits des Trugbilds
12In ihrem Artikel über Mikrofinanz nehmen Isabelle Guérin und ihre KoautorInnen, Cyril Fouillet, Isabelle Hillenkamp, Olivier Martinez, Solène Morvant-Roux und Marc Roesch, den gegenteiligen Standpunkt zu den oft nuancenlos vorgetragenen Lobreden auf die Mikrofinanz ein. Sie stellen zwar einige Vorteile und Fortschritte zu präzisen Punkten heraus, doch haben sie Mühe, zu behaupten, dass Mikrofinanz ein allgemein einsetzbares Instrument zur Armutsbekämpfung sei. Mikrofinanz kann sogar zu Ungleichheiten (zwischen ländlichen und städtischen Gebieten) führen und eine negative Auswirkung auf die Schaffung von Arbeitsplätzen haben. Anhand von Fallbeispielen aus Benin, Bolivien, Indien und Mexiko kommen die Autorinnen und Autoren zur Schlussfolgerung, dass die Mikrofinanz vor allem als ein Auffangnetz für jenen Bevölkerungsteil angesehen werden kann, der zu Mikrokredit Zugang hat, um Situationen der Unregelmässigkeit und Unvorhergesehenheit der Einkommen sowie der Unangepasstheit zwischen Einkünften und Ausgaben entgegenzutreten. Die AutorInnen betonen: „Die Mikrofinanz kann als Sicherheitsnetz für die Ärmsten dienen, jedoch kann sie nur ausnahmsweise ein Faktor der Armutsbekämpfung durch Einkommenssteigerung und Verringerung von Ungleichheiten sein“. Sie schliessen mit Bemerkungen zur Notwendigkeit ab, den Kunden und die Qualität der Dienstleistungen wieder in den Mittelpunkt der Diskussionen zu stellen.
13Kavaljit Singh stellt sich in seinem Artikel „Entry of Foreign Banks in India and China“ Fragen bezüglich der Auswirkungen der Liberalisierung auf den Bankensektor. Er beschreibt die Folgen der Öffnung des Finanzsektors für die Auslandsbanken und ihre Rückwirkungen auf den Kreditzugang mit deutlichen Worten. Im Gegensatz zu den Thesen, welche die positiven Effekte des Einzugs der ausländischen Banken auf das Wirtschaftswachstum hervorheben, führt der Autor unter Hinweis auf zahlreiche Studien an, dass die Auslandsbanken keine Darlehen an kleine und mittlere Unternehmen oder an Akteure des informellen Sektors vergeben. Er weist nach, dass die Liberalisierung des indischen Bankensektors mit einem Rückgang des Anteils des Agrarkredits und der Kredite für kleine und mittlere Unternehmen einherging. In China beeinträchtigt der Einzug der Auslandsbanken nicht so sehr die grossen Staatsbanken, als vielmehr die kleinen und mittelgrossen Handelsbanken. Letztere verlieren einen Kundenkreis, der von den ausländischen Bankinstituten angezogen wird, deren Investitionskriterien sich von jenen der lokalen Banken unterscheiden. Zwei Schlussfolgerungen ergeben sich aus diesem Beitrag: Zum einen können die von den Nichtregierungsorganisationen lancierten Mikrokreditprogramme kein Ersatz für das formelle Bankensystem in Indien sein. Zum anderen bieten die Auslandsbanken ihre Dienstleistungen einer beschränkten Anzahl von Kunden an (exclusive banking) und decken die „unterbankarisierten“ Regionen und Sektoren nicht ab. Sie tragen folglich nicht zur Ausbreitung der Entwicklungsfinanzierung bei.
14In seinem Artikel über die Mikroversicherung befasst sich Marc Nabeth mit einer Problematik, die mit der Finanzierungsfrage einhergeht: Es ist vergeblich, die Entwicklung zu finanzieren, und insbesondere die Lage verwundbarer Familien, deren Einkommen häufigen Schwankungen unterliegen, verbessern zu wollen, wenn es nicht gelingt, ihre Situation „abzusichern“: Mikroversicherung ist kein Luxus. Der Autor zeigt auf, dass die Mikroversicherung zwar kein Allheilmittel gegen Armutsprobleme sein kann, dass sie aber eine unerlässliche Komponente im Kampf gegen die Armut ist. Nach und nach werden Mechanismen eingeführt, welche die Zusammenhänge zwischen Sparen und Versicherung, ihre Komplementarität und die Mutualisierung der Risiken berücksichtigen. Die Entwicklungsagenturen können „Fazilitatoren“ bei der Verbreitung guter Praktiken, der Finanzierung des Wissenserwerbs, der Studie von Innovationen, der Unterstützung öffentlich-privater Partnerschaften, usw. sein. Es handelt sich hierbei um einen umfassenden Bereich.
Hebelwirkung der Garantiefonds
- 9 Es ist zu vermerken, dass die Hilfestatistiken (zum Beispiel die statistischen Vereinbarungen zur E (...)
15Die Garantiefonds als Mechanismen zur Absicherung lokaler privater Investitionen können privat oder öffentlich, international oder national sein. In dem Masse, als die Risiken geteilt sind, und diese Garantiefonds somit nur einen Teil des Risikos decken, sind die für die Investition verfügbar gewordenen Ressourcen grösser als die sich aus einer Schenkung oder einem Darlehen ergebenden Mittel. Bei einem identischen Finanzvolumen ist die Wirkung einer Garantie insofern höher, als die Garantie es ermöglicht, ein viel grösseres Volumen an Ressourcen zu mobilisieren. Man kann hier von einem doppelten Effekt, der Hebel- und Multiplikatorwirkung, sprechen. Auf diese Weise lassen sich durch internationale Garantien lokale finanzielle Ressourcen für die Entwicklung mobilisieren9.
16Jean-Michel Servet zeigt in seinem Artikel über internationale Garantiefonds auf, dass es dieser Mechanismus erlaubt, Fonds zu „aktivieren“, die bei nicht in Mikrodarlehen spezialisierten Bankinstituten angesiedelt sind, und dass der Mechanismus somit bei der Refinanzierung von Multifinanzinstitutionen eine wichtige Rolle spielt. Damit diese „modernen Banken“ in Aktion treten, fordern sie eine zumindest partielle Garantie für die eingegangenen Risiken. Nachdem der Autor die Garantiefonds definiert hat, stellt er die verschiedenen Fondsmodelle vor. Das Beispiel des Internationalen Garantiefonds Genf (FIG) veranschaulicht den Multiplikatoreffekt dieses Mechanismus (die Beträge werden lokal durch die Bankgarantie mobilisiert, ohne dass ein Ressourcentransfer zwischen Ländern erfolgt) und die Politik der Aufteilung des Risikos zwischen verschiedenen Parteien (Solidaritätsbeziehung). Vorausgesetzt, dass man mit den Beispielen der Vergangenheit und ihren Misserfolgen bricht, scheint die Einsetzung von Garantiefonds zu den erfolgversprechendsten Innovationen zu gehören, um die Finanzbeziehungen zwischen Norden und Süden tiefgreifend umzuwandeln. Diese Fonds erlauben es auch, durch die Beteiligung und Unterstützung der Staaten, der öffentlichen Hand wieder ihre Führungsrolle bei kollektiven Entscheidungen auf multilateraler, nationaler oder lokaler Ebene zurückzugeben.
Kreditzugang: echtes Problem oder falsche Lösung?
17Selbst wenn der Kreditzugang einer der Eckpfeiler der Entwicklungsfinanzierung zu sein scheint, relativiert Christophe Gironde diese Behauptung am Beispiel Vietnams. Nachdem der Autor die Organisation der Finanzierung landwirtschaftlicher Erwerbstätigkeiten zur Zeit der Planwirtschaft und der Genossenschaften kurz präsentiert hat, befasst er sich mit den bedeutenden Reformen, die Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre stattfanden. Die allmähliche Einführung der Marktwirtschaft hat die Finanzierungsmechanismen der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeiten radikal verändert: Abschaffung der Subventionen, Notwendigkeit der Eigenfinanzierung, Mangel an spezialisierten Bankinstituten zur Finanzierung nichtstaatlicher Erwerbstätigkeiten. Die Periode der „Öffnung“ war zuerst durch einen starken Kapitalmangel gekennzeichnet. Beträchtliche Anstrengungen wurden unternommen, um Kredite in die Agrarwirtschaft zu pumpen. Die Analyse von Gironde zeigt jedoch, dass die Bauern heutzutage – fünfzehn Jahre nach der Rehabilitierung des Familienbetriebs – in Bezug auf ihre Produktion eher mit einem Absatz- als mit einem Finanzierungsproblem konfrontiert sind. Der Kreditzugang als Hauptsorge löst nicht alles. Die derzeitigen Probleme der vietnamesischen Bauernschaft betreffen vor allem Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität.
3. Teil. Rolle der internationalen Entwicklungszusammenarbeit
- 10 Malika Berak, Isabelle Guisnel und Didier Niewiadowski, Pour une gouvernance démocratique. Document (...)
18Der Zusammenhang zwischen Wirksamkeit der Armutsbekämpfung und Einhaltung der Grundprinzipien guter Regierungsführung wurde auf der Konferenz von Monterrey bekräftigt. Diese neuen Prinzipien von Good Governance haben fortan das Streben nach Effizienz und nach einer neuen Legitimität der Staates zum Hauptziel, wobei den Erwartungen, Dynamiken und Erfordernissen der Gemeinschaften sowie der Bürgerinnen und Bürger Rechnung getragen wird. Der Staat hat seine Vorrechte als Garant des Allgemeinwohls nicht verloren, jedoch tritt er nicht mehr allein dafür ein10. Das Jahrzehnt hat so mit der Definition neuer Perspektiven für die Entwicklungspolitik begonnen, welche die Arbeit der Entwicklungsagenturen tiefgreifend beeinflusst haben. Zudem hat die Verabschiedung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) der internationalen Gemeinschaft einen Strategierahmen an die Hand gegeben, der auf die Armutsbekämpfung ausgerichtet ist. Zur Erreichung der Millenniumsziele haben sich die Staaten verpflichtet, ihre öffentliche Entwicklungshilfe zu erhöhen. Eine detaillierte Zahlenanalyse vermittelt allerdings den Eindruck, dass die Staaten vor allem bestrebt waren, die öffentliche Entwicklungshilfe künstlich „aufzublähen“, da nur wenig zusätzliche Ressourcen für die „traditionelle“ Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt wurden (siehe Grafik).
Grafik: Hauptbestandteile der öffentlichen Nettoentwicklungshilfe der DAC-Länder, 2000-2005

Quelle :CAD, Coopération pour le développement. Rapport 2006, Paris, OCDE, 2007.
- 11 Poverty Reduction and Economic Management (PREM), Fiscal Policy for Growth and Development : An Int (...)
19Gemäss der Weltbank11 hatte die Annahme der Millenniums-Entwicklungsziele noch eine weitere Folge: Das Staatsbudget wird nicht mehr als Mittel zur makroökonomischen Stabilisierung angesehen, sondern als ein Instrument, das Wachstum und Armutsminderung fördern kann. Somit steht die „gute Verwaltung der öffentlichen Finanzen“ der Staaten im Zentrum der Entwicklungsfinanzierungsfrage. Als Geldgeber der nationalen Budgets sind die bilateralen Entwicklungsagenturen beim öffentlichen Finanzmanagement der Empfängerländer der Entwicklungshilfe mehr oder minder weitgehend impliziert. Im dritten Teil des Dossiers werden diese Fragen näher untersucht.
- 12 Das Comité catholique contre la faim et pour le développement (CCFD) schätzt die von den Diktatoren (...)
20Gleichzeitig darf aber auch die dringende Notwendigkeit niemals vergessen werden, die menschliche Entwicklung der Länder aus ihren eigenen Steuereinnahmen zu finanzieren, deren Last gerecht verteilt werden muss. Viele Entwicklungsländer leiden an einer Art Steueramnesie. Steuerflucht ist dort legal, dank einer geringen Besteuerung der Einkommen der Reichsten, und illegal, aufgrund einer starken Korruption. Neben grotesken Beispielen zur Zeit des Kalten Kriegs betreffend die Toleranz der Behörden der Geberländer gegenüber räuberischen und despotischen Staatschefs wie Mobuto Sese Seko in Zaire (der heutigen Demokratischen Republik Kongo), Augusto Pinochet in Chile oder Ferdinand Marcos auf den Philippinen12 darf die sehr geringe Besteuerung der Eliten und Oberklassen des Südens nicht übersehen werden. Nur eine gerechte und legitime Besteuerung kann eine Demokratie gründen und einer repräsentativen Gewalt Autonomie verleihen. Das Haupthindernis für solche Steuereformen liegt in den massiven sozialen Ungleichheiten, die die meisten so genannten „armen“ Länder unterminieren. Daher kann eine Mobilisierung der nationalen Ressourcen nicht erfolgen, ohne gegen die sozialen Ungleichheiten, Diskriminierungen und Rentierpositionen auf dieser Ebene anzugehen und zu einer gerechteren Wohlstandsverteilung beizutragen.
Verwaltung der öffentlichen Finanzen als Beitrag zu Good Governance
21In ihrem einleitenden Artikel zu diesem Teil des Dossiers geben Stefan Leiderer und Peter Wolff einen Überblick über den aktuellen Diskussionsstand zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen (Public Financial Management, PFM). Sie tragen dazu bei, die Instrumente internationaler Entwicklungszusammenarbeit im PFM-Bereich im Rahmen der multi- und bilateralen Beziehungen zu identifizieren. Die Autoren zeigen auf, wie und aus welchen Gründen die Verwaltung der öffentlichen Finanzen ins Zentrum der Aufmerksamkeit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gerückt ist. Sie konzentrieren sich auf die Institutionen und Verfahren, welche die Transparenz, Wirksamkeit und Effizienz der öffentlichen Ausgaben – darunter die Verwaltung öffentlicher Entwicklungs hilfegelder – garantieren sollen. Man spricht diesbezüglich von guter Finanzverwaltung (Good Financial Governance). Das Vorgehen besteht darin, Qualität und Wirksamkeit der Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu bewerten und die Empfängerländer bei ihren Anstrengungen zur Verbesserung des Haushaltssystems zu unterstützen. Die Umsetzung der Erklärung von Paris (Paris Declaration on Aid Effectiveness), die die Grundsätze der Aneignung, Harmonisierung und Ausrichtung (ownership, harmonisation und alignment) verankert, zielt gerade auf die Haushaltsverwaltung ab. Leiderer und Wolff verweisen auf entwickungspolitische Herausforderungen betreffend den Reformprozess und betonen, dass „PFM-Reformen nicht wirkungsvoll von aussen gesteuert werden können, sondern vor allem ein von politischen und institutionellen Determinanten bestimmter endogener Prozess sind, der in erster Linie von den Partnerländern selbst angestossen, effektiv umgesetzt und nachgehalten werden muss“. Der Artikel stellt die verschiedenen, im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit ergriffenen Initiativen vor und unterstreicht die Notwendigkeit, die Kapazitäten der Partnerländer zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen zu entwickeln.
22Die im vorhergehenden Artikel untersuchten diversen Aspekte des öffentlichen Finanzmanagements werden durch die drei folgenden Beiträge veranschaulicht, welche Praktiken der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit präsentieren. Zu den neuen Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit gehört auch die Budgethilfe, die als ein innovatives Mittel zur Förderung der Reform der öffentlichen Finanzverwaltung angesehen wird. Die beiden Artikel von Jean-Luc Bernasconi (Leistungsbereich Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Staatssekretariats für Wirtschaft, SECO) und von Jean-Luc Virchaux (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, DEZA) tragen nuancierte Blickpunkte zu dieser neuen Strategie bei. Pascal Raess weist seinerseits auf die Bedeutung der Fiskalität bei der Entwicklungsfinanzierung sowie auf den Beitrag der Entwicklungsagenturen zur Reform und zur Stärkung der Steuersysteme hin.
Budgethilfe, Möglichkeiten und Grenzen
23Jean-Luc Bernasconi stellt eine Bestandsaufnahme des Instruments allgemeine Budgethilfe vor, so wie es in der Schweiz etwa seit Anfang des 21. Jahrhunderts im Rahmen der Tätigkeit des SECO angewandt wird. Der Autor stützt sich auf eine kürzlich unter der Ägide des OECD-Entwicklungshilfeausschusses (DAC) durchgeführte unabhängige Evaluation und betont, dass die mit der Budgethilfe erreichten Resultate „insgesamt positiv sind, dass aber eine Reihe Möglichkeiten und Herausforderungen wahrgenommen werden müssen, um die Wirksamkeit des Instruments noch zu verbessern“. Zu den vom Verfasser aufgeführten Risiken zählen Korruption, schlechte wirtschaftliche und politische Gouvernanz sowie die makroökonomischen Anfälligkeiten, welche die Reform des Steuersystems lähmen und die Dezentralisierung behindern. Das letzte aufgeführte Risiko betrifft die Schwierigkeit, einen Politikdialog herzustellen, der die verschiedenen Akteure der Zivilgesellschaft umfasst. Gemäss dem Autor ist die allgemeine Budgethilfe ein wesentliches Instrument in genau festgelegten Kontexten, bei denen aber gewisse Bedingungen erfüllt sein müssen.
24Der Artikel von Jean-Luc Virchaux illustriert eines der im vorhergehenden Beitrag erwähnten Risiken. Es betrifft den Dezentralisierungsprozess, der aber von den Staaten gewünscht und von der Entwicklungszusammenarbeit befürwortet wird. Von einer Untersuchung vor Ort ausgehend, analysiert der Verfasser die Wirkungen der beiden neuen Strategien (Budgethilfe und Erklärung von Paris) in Mali. Er stellt fest, dass die Budgethilfe eine Konzentration der finanziellen Ressourcen im Zentrum (Zentralstaat) auf Kosten der Peripherie (Provinzen) fördert. Abschliessend setzt sich Virchaux dafür ein, dass die Budgethilfe die dezentralisierten Gebietskörperschaften und die Organisationen der Zivilgesellschaft besser berücksichtigen solle.
Steuerreform als absolute Notwendigkeit
25In seinem Artikel zu Fragen der Fiskalität und der Governance hebt Pascal Raess die zentrale Rolle der Fiskalpolitik des Staates bei der Entwicklungs finanzierung hervor. Der Autor stellt sich Fragen zu den Interaktionen zwischen Fiskalität und öffentlicher Entwicklungshilfe und zu den Risiken der Hilfeabhängigkeit. Er befasst sich aber vor allem mit dem Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit zur Mobilisierung der Steuereinnahmen in den Entwicklungsländern im Hinblick auf die Verpflichtungen des Konsenses von Monterrey. Raess versucht, die Lehren aus den Bemühungen zur Reform der Steuersysteme durch die multilateralen und bilateralen Geber zusammenzufassen. Er plädiert für die Einsetzung eines Prozesses zur Aushandlung eines „fiskalischen Sozialvertrags“, der in die nationalen Entwicklungsstrategien integriert werden sollte. Er schlägt vier mögliche Rollen für die Entwicklungsinstitutionen im Rahmen der Steuerpolitik vor. Zur Veranschaulichung seiner Ausführungen stellt der Autor die Aktion der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der fiskalischen Dezentralisierung und der Umweltbesteuerung vor.
Schluss
26Im zweiten Halbjahr 2008 wird in Doha eine internationale Folgekonferenz zur Überprüfung der Verpflichtungen von Monterrey stattfinden. Sie hat die Bewertung der erreichten Fortschritte, die erneute Bekräftigung der Ziele und eingegangenen Verpflichtungen, den Austausch über beste Praktiken und aus der Erfahrung gezogene Lehren zum Zweck. In der Erwartung der Syntheseberichte, die eine systematische Evaluierung der erzielten Fortschritte ermöglichen, befasst sich das Dossier 2007 des Schweizerischen Jahrbuchs für Entwicklungspolitik mit einigen der auf der Konferenz von Monterrey behandelten Punkte. Die Beiträge der Autorinnen und Autoren aus Akademikerkreisen, aus der Bundesverwaltung und aus Nichtregierungsorganisationen, denen wir hier für ihre Zusammenarbeit bestens danken möchten, gestatten eine Betrachtung der Herausforderungen und der laufenden Diskussionen bezüglich der Entwicklungsfinanzierung aus verschiedenen Blickwinkeln. Den Abschluss des Dossiers bildet eine „Hintergrundinformation“ mit den wichtigsten Internetportalen zum Thema Entwicklungsfinanzierung, die von Lucas Oesch ausgewählt wurden. Sie ist zur Orientierung für Leserinnen und Leser bestimmt, die ihre Kenntnisse zu dieser Thematik vertiefen wollen.
27Das Dossier warnt vor den Risiken einer übermässigen Finanzialisierung. Es schlägt Suchrichtungen vor, um die Finanzialisierung zu wandelnund sie einem demokratischen und bürgerschaftlichen Druck zu unterwerfen. Die Rückkehr zur lokalen Ebene durch die Mobilisierung nationaler Ressourcen über Einkommensbesteuerung oder mittels Garantiefonds, welche die Finanzierung produktiver Investitionen durch lokale Finanzinstitute fördern, erscheint als einer der künftig zu erkundenden Wege.
Anmerkungen
1 United Nations, Report on the International Conference on Financing for Development, Monterrey, Mexico, 18-22 March 2002, Document A/CONF.198/11, abrufbar unter http://www.un.org/esa/ffd. Dort sind auch sämtliche Konferenzunterlagen, einschliesslich der Berichte über die Nebenveranstaltungen und zahlreiche Vorbereitungsdokumente aufgeführt.
2 Bruno Gurtner, „Internationale Finanzbeziehungen“, in Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik 2003, Fakten und Statistiken, Bd. 22, Nr. 1, Genf, IUED, 2003, S. 105-131, Zitat S. 127.
3 Programme des Nations unies pour le développement (PNUD), Rapport mondial sur le développement humain 2005, Paris, Economica, 2005, S. 10 (unsere Übersetzung, Anmerkung der Redaktion). Gemäss der Weltbank haben die Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihren Landwirten im Jahr 2001 311 Milliarden Dollar an Subventionen zukommen lassen, was etwa dem viereinhalbfachen Betrag der öffentlichen Entwickungshilfe im gleichen Jahr entspricht (Banque mondiale, Rapport sur le développement dans le monde 2005, Brüssel, De Boeck, 2005, S. 190, unsere Übersetzung).
4 Kevin Watkins, Cultiver la pauvreté. L’impact des subventions américaines au coton sur l’Afrique, Document de briefing d’Oxfam, Nr. 30, Oxfam International, 2002, 43 S.
5 Die kritischen Analysen der Methoden des Finanzsektors, die von Karl Polanyi in den ersten Kapiteln seines Werks La grande transformation vorgestellt werden, können hier als wertvoller Leitfaden dienen, um die sich daraus ergebenden politischen Risiken zu ermessen.
6 United Nations, World Economic Situation and Prospects 2007, New York, 2007, S. 58ff., http://www.un.org/esa/policy/wess/wesp ou http://www.unctad.org.
7 Magnus Saxegaard, Excess Liquidity and Effectiveness of Monetary Policy : Evidence from Sub-Saharan Africa, IMF Working Paper, WP/06/115, Washington, IMF, 2006, 50 S. Die Studie umfasste 44 Länder. Die gleiche Feststellung gilt für Marokko und Algerien in Nordafrika.
8 So werden 53 % der Schuldscheine der afrikanischen Staaten südlich der Sahara von Handelsbanken gehalten. Siehe Fatima Hmimid und Anselme Imbert, „Les banques centrales face aux défis du développement“, Techniques financières et développement, Nr. 83, Juni 2006, S. 31.
9 Es ist zu vermerken, dass die Hilfestatistiken (zum Beispiel die statistischen Vereinbarungen zur Evaluation der Entwicklungshilfe durch das DAC) die Garantien nur berücksichtigen, wenn sie zu einer Auszahlung führen. Daraus ergibt sich das geringe Interesse der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit für diese Form von Unterstützung.
10 Malika Berak, Isabelle Guisnel und Didier Niewiadowski, Pour une gouvernance démocratique. Document d’orientation de la politique de coopération française, Ministère des affaires étrangères, Frankreich, 2003.
11 Poverty Reduction and Economic Management (PREM), Fiscal Policy for Growth and Development : An Interim Report, Washington DC, World Bank, 2006 (von Stefan Leiderer und Peter Wolff in ihrem Beitrag zum Dossier zitiert).
12 Das Comité catholique contre la faim et pour le développement (CCFD) schätzt die von den Diktatoren in den letzten Jahrzehnten unterschlagenen Gelder auf 100 bis 180 Milliarden Dollar ; es veranschlagt die Summen, deren Rückgabe die Länder des Südens verlangen könnten, auf rund 200 Milliarden Dollar. Michel Camdessus führt einen Betrag von 1000 Milliarden Dollar an, wobei er die von den Angehörigen der Diktatoren angehäuften Vermögen mit einschliesst. Siehe Antoine Dulin und Jean Merckaert, Biens mal acquis… profitent trop souvent. La fortune des dictateurs et les complaisances occidentales,Paris, CCFD, 2007, S. 5-7.
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Titel | Grafik: Hauptbestandteile der öffentlichen Nettoentwicklungshilfe der DAC-Länder, 2000-2005 |
Abbildungsnachweis | Quelle :CAD, Coopération pour le développement. Rapport 2006, Paris, OCDE, 2007. |
URL | http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/sjep/docannexe/image/369/img-1.png |
Datei | image/png, 58k |
Zitierempfehlung
Papierversionen:
Catherine Schümperli Younossian, Daniel Fino und Jean-Michel Servet, „Von der externen Hilfe zur Mobilisierung lokaler Ressourcen“, Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 26-2 | 2007, 11-22.
Online-Version
Catherine Schümperli Younossian, Daniel Fino und Jean-Michel Servet, „Von der externen Hilfe zur Mobilisierung lokaler Ressourcen“, Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik [Online], 26-2 | 2007, Online erschienen am: 31 Mai 2010, abgerufen am 20 März 2025. URL: http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/sjep/369; DOI: https://0-doi-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/10.4000/sjep.369
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