1Ursprünglich hatte die Europäische Union ein System für den automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden gefordert. Die EU-Mitgliedsstaaten strebten auch mit Ländern ausserhalb der Union, die bedeutende Finanzplätze beherbergen (USA, Andorra, Monaco, Liechtenstein und Malta), entsprechende Vereinbarungen an.
2Nach zähen Verhandlungen wurde Anfang März 2003 zwischen der Schweiz und der EU eine Einigung in der Frage der Zinsbesteuerung erzielt1. Auf Zinserträge von Bankguthaben von EU-Bürgern in der Schweiz wird ein Steuerrückbehalt erhoben, der mit der bestehenden Verrechnungssteuer auf die Zinserträge von Guthaben von Personen mit Wohnsitz in der Schweiz vergleichbar ist. Der Steuerrückbehalt beträgt ab 1. Januar 2005 zunächst 15 Prozent und wird sodann ab 2008 auf 20 Prozent und ab 2011 auf 35 Prozent erhöht werden. Der Ertrag des Steuerrückbehalts fällt zu 75 Prozent an den Wohnsitzstaat des Kontoinhabers und zu 25 Prozent an den Bund. Der ausländische Bankkunde kann die Bank ermächtigen, die Höhe des Guthabens der Steuerbehörde seines Wohnsitzlandes bekannt zu geben, wodurch die Zinserträge an seinem Wohnsitz besteuert werden.
3Zudem verpflichten sich die Schweiz und die EU-Mitgliedsländer zum Informationsaustausch bei Steuerbetrug. Das Abkommen über die Zinsbesteuerung wird durch ein Memorandum of Understanding zwischen der Schweiz und jedem einzelnen EU-Mitglied ergänzt. Dieses sieht vor, dass die Schweiz im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen mit den EU-Mitgliedsländern Vereinbarungen über die Amtshilfe bei Steuerbetrug und bei „sinngemäss gleich schwer wiegenden Delikten“ trifft. Die Schweiz, welche die Steuerhinterziehung vom Informationsaustausch ausklammern wollte, muss nun mit jedem Land gemeinsam festlegen, was unter Steuerbetrug und sinngemäss damit vergleichbaren Verstössen zu verstehen ist. Damit das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Kraft treten kann, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein :
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Die Richtlinie der Europäischen Union über die Zinsbesteuerung muss umgesetzt werden. Diese stösst noch immer auf Widerstand, namentlich bei Luxemburg und Österreich, die eine Quellenbesteuerung dem automatischen Informationsaustausch vorziehen würden.
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Mit einigen nichteuropäischen Ländern (siehe Liste unten) müssen noch vergleichbare Vereinbarungen getroffen werden.
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Die EU-Richtlinie muss auch für die zu Grossbritannien und den Niederlanden gehörenden Gebiete Geltung besitzen (Kanalinseln, Karibik).
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- 2 Siehe die Kommentare zum Besuch von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey vom 2. Februar 2004 in Brüssel (...)
Das Abkommen über die Zinsbesteuerung ist Teil eines zehn Dossiers umfassenden Vertragspakets mit der EU, den so genannten bilateralen Abkommen II. Nach dem Willen des Bundesrates sollen diese Abkommen dem Parlament und den Stimmbürgern in Form eines „ausgewogenen Gesamtresultates“ als Paket vorgelegt werden. Die Verhandlungen zu den anderen Dossiers (namentlich über den Beitritt der Schweiz zum Schengener und zum Dubliner Abkommen im Asylbereich und über die heikle Frage der Zollbetrugsbekämpfung) sind noch nicht abgeschlossen2.
- 3 „Il sera très facile d’éviter la retenue à la source imposée par l’accord Suisse-Union européenne“, (...)
4Diese Faktoren könnten dazu führen, dass das Abkommen nicht wie geplant am 1. Januar 2005 in Kraft treten kann oder gar in Frage gestellt wird. Zudem sind mehrere Formen von Guthaben in der Schweiz vom Steuerrückbehalt ausgenommen3, beispielsweise Guthaben, die Kapitalgewinne anstatt Zinsen abwerfen (Aktien), aber auch Lebensversicherungen, Offshore-Gesellschaften oder Trusts, Finanzderivate, Anlagen in Immobilien sowie von europäischen Kunden auf aussereuropäischen Finanzplätzen eröffnete Konten (ein Kunde kann in Singapur bei der Filiale einer Schweizer Bank ein Konto eröffnen, womit die Zahlstelle nicht mehr in der Schweiz liegt).
- 4 „Bankgeheimnis in die Bundesverfassung~?“, NZZ, 3. Dezember 2003. In ihrem Kommentar weist die NZZ (...)
- 5 Diese Initiative wurde vom Zürcher Kantonsparlament am 12. Januar 2004 verabschiedet und anschliess (...)
5Am 2. Dezember 2003 stimmte der Nationalrat mit 113 gegen 69 Stimmen der parlamentarischen Initiative der SVP zu, welche eine Verankerung des Bankgeheimnisses in der Verfassung fordert4. Der Kanton Zürich reichte eine ähnlich gerichtete Initiative ein5. Vergleichbare Vorstösse wurden auch in den Kantonen Aargau, Tessin, Basel-Landschaft und Genf lanciert. Der Bundesrat sieht keine Notwendigkeit, das Bankgeheimnis in der Verfassung zu verankern, da es durch die Gesetzgebung und das Personenrecht bereits ausreichend geschützt sei. Allerdings steht die Regierung den Vorschlägen des Parlaments offen gegenüber.
- 6 Statistik der Schweizerischen Nationalbank, Die Banken in der Schweiz, 2002.
6Laut Angaben der Schweizerischen Nationalbank verwalten die Schweizer Banken Auslandsguthaben in Höhe von 34’000 Milliarden Franken6. Die Treuhandverpflichtungen gegenüber Kunden aus Entwicklungsländern beliefen sich Ende 2002 auf mehr als 150 Milliarden Franken. Dieser Betrag umfasst Transaktionen, welche die Banken auf Rechnung und Risiko der Kunden durchführen. In Bezug auf die Entwicklungs- und Schwellenländer stammen die von den Schweizer Banken treuhänderisch verwalteten Gelder hauptsächlich aus folgenden Gebieten :
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Steuerparadiese und Offshore-Finanzplätze : 31,7 Milliarden Franken, die von den Banken verwaltet werden, stammen aus Westindien (Grossbritannien), 16 Milliarden aus Panama, 7,3 Milliarden aus den Cayman-Inseln und 6,2 Milliarden aus den Bahamas.
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Schwellenländer und Erdöl exportierende Länder : 10,3 Milliarden stammen aus Saudi-Arabien und 8,1 Milliarden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
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arme oder krisengeschüttelte Länder wie Argentinien (4765 Millionen Franken), Venezuela (2668 Millionen Franken), Liberia (2372 Millionen Franken) und die Philippinen (554 Millionen Franken).
Jahrbuch 2004, Nr. 1, Statistiken, Tabelle 2.3.B.2. und Grafiken über Treuhandanlagen im Kommentar von Teil 2, Finanzströme.
- 7 Erklärung von Bern, EvB-Magazin, Dezember 2003~; Erklärung von Bern, Arbeitsgemeinschaft der Hilfsw (...)
- 8 Gemäss einer Studie von Oxfam führt die Steuerhinterziehung in den Entwicklungsländern zu Einnahmea (...)
7Im Januar 2004 lancierten die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke und die Erklärung von Bern eine Kampagne gegen das „Steuerparadies Schweiz“7. Sie werfen der Schweiz vor, der Steuerflucht Vorschub zu leisten, namentlich indem die internationale Rechtshilfe nur in Fällen von Steuerbetrug, nicht aber bei Steuerhinterziehung geleistet wird. Die Unterscheidung zwischen strafbarem Steuerbetrug und strafrechtlich nicht verfolgter Steuerhinterziehung ist nach Auffassung der Hilfswerke nicht tragbar. Zudem musste die Schweiz im Rahmen des bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA gewisse Zugeständnisse machen : Schweizer Banken dürfen nur dann Anleihen an in den USA steuerpflichtige Personen verkaufen, wenn der Käufer zustimmt, seine Identität den amerikanischen Steuerbehörden mitzuteilen. Aus der Sicht der Hilfswerke muss die Schweiz diese Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unbedingt aufgeben, um zu vermeiden, dass vermögende Personen – die häufig aus Entwicklungsländern stammen – dabei unterstützt werden, die Besteuerung in ihrem Land zu umgehen8. Die schweizerische Kampagne wird von rund zwanzig Organisationen mitgetragen, darunter ATTAC Schweiz, die Fédération genevoise de coopération, die Fédération vaudoise de coopération, die Aktion Finanzplatz Schweiz, der Evangelische Frauenbund der Schweiz, SOS Racisme sowie mehrere Gewerkschaften.
- 9 Unterlagen zur Pressekonferenz der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke und der Erklärung von Bern, G (...)
- 10 Eidgenössisches Finanzdepartement, Medienmitteilung, 29. November 2002.
8Ferner riefen die Organisationen im Jahr 2003 den Bundesrat auf, den Geltungsbereich des Zinsbesteuerungsabkommens mit der EU gemäss dem wirtschaftspolitischen Grundsatz der Meistbegünstigung auf sämtliche Entwicklungsländer auszudehnen9. In seiner Antwort auf die Interpellation von Remo Gysin (SP/BS), die eine ähnliche Frage aufwarf, wies der Bundesrat darauf hin, es gebe keinen Anlass, ein Abkommen wie jenes mit der EU im Sinne der Meistbegünstigung auf sämtliche Länder auszudehnen10. Da es im internationalen Steuerrecht im Unterschied zur internationalen Handelspolitik (WTO) keinen Meistbegünstigungsstandard gebe, liege auch keine Diskriminierung der Entwicklungsländer vor. Die steuerlichen Aussenbeziehungen sind durch bilaterale Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geregelt.
Jahrbuch 2004, Nr. 1, Kap. 5.2., „Internationale Wirtschaftsabkommen“ S. 68-71.
- 11 Siehe Fussnote 8.
- 12 Erklärung von Bern, Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, Wegleitung zur Steuerhinterziehung, a.a.O., (...)
9Nach Auffassung der Erklärung von Bern und der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke führt die Steuerflucht zu enormen Mindereinnahmen für die Entwicklungsländer. Gemäss einer Schätzung der NGO Oxfam verzeichnen die armen Länder allein bei den Einkommens- und Vermögenssteuern Ausfälle von jährlich 15 Milliarden Dollar11. Unter der Annahme, dass ein Drittel dieser Summe in der Schweiz angelegt wird, verlieren die Entwicklungsländer jährlich 5 Milliarden Dollar durch Gelder, die aus Gründen der Steuerflucht in die Schweiz transferiert werden – das Fünffache der öffentlichen Entwicklungshilfe12.
10Die Arbeitsgemeinschaft hat den ungefähren Betrag errechnet, der den Ländern des Südens zurückerstattet werden könnte : 2001 verwalteten die Schweizer Banken 170 Milliarden Franken an Guthaben für Kunden aus Entwicklungsländern (einschliesslich der Vermögenswerte auf den Offshore-Finanzplätzen in der Karibik, aber ohne jene auf den europäischen Offshore-Märkten). Eine durchschnittliche Verzinsung von 4 Prozent ergäbe einen Zinsertrag von 6,8 Milliarden Franken. Ein Steuerrückbehalt von 35 Prozent auf diese Erträge würde Einnahmen von 2,3 Milliarden Franken generieren. Wenn 75 Prozent dieser Summe an die Herkunftsländer zurückerstattet würden, entspräche dies Zahlungen von 1785 Millionen Franken – ein Betrag, der die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz übersteigt (1532 Millionen Franken im Jahr 2001).
- 13 Die drei erwähnten Organisationen führten anlässlich des europäischen Sozialforums 2002 einen Works (...)
11Ferner beteiligten sich die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, ATTAC und die Erklärung von Bern an der Errichtung des globalen Netzwerkes für Steuergerechtigkeit (Tax Justice Network), welches die Aktivitäten in mehreren Ländern koordiniert13. Dem Netzwerk gehören verschiedene NGO sowie Persönlichkeiten aus Europa und den Vereinigten Staaten an. Gemäss Angaben des Netzwerks würde ein halbes Prozent der gesamten Guthaben, die auf den Offshore-Finanzplätzen angelegt sind, ausreichen, um die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen – die Halbierung der Armut bis ins Jahr 2015 – zu verwirklichen. Das Netzwerk schlägt namentlich die folgenden vier Massnahmen vor :
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Veröffentlichung sämtlicher Steuergesetze in allen Staaten sowie nationaler Statistiken über Aktivitäten der Finanzindustrie und einer Liste der wirtschaftlichen Nutzniesser von Rechtspersönlichkeiten und Bankkonten ;
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Aufbau eines automatischen Informationsaustauschs zwischen allen Steuerbehörden ;
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Errichtung eines demokratischen globalen Forums, um den gegenseitigen Austausch zu fördern und die demokratische Kontrolle der Besteuerung zu erhöhen ;
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Harmonisierung der Besteuerung von transnationalen Unternehmen zwischen den Ländern, um die illegitime Verschiebung von Gewinnen in Niedrigsteuerländer zu bekämpfen.
12Die seit ihrem In-Kraft-Treten im Jahr 1977 mehrmals überarbeitete Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) wurde im Dezember 2002 grundlegend revidiert. Die Vereinbarung legt für sämtliche Beziehungen zwischen Kunden und Bank geltende Regeln zur Überprüfung der Kundenidentität fest. Die Geldwäschereiverordnung (siehe weiter unten) bietet eine rechtliche Grundlage, um die Einhaltung der Sorgfaltspflicht in Geschäftsbeziehungen mit erhöhtem Risiko zu überprüfen und den Geltungsbereich der Sorgfaltspflichtvereinbarung auf sämtliche Finanzintermediäre im Sinne des Geldwäschereigesetzes (anstatt nur auf die Banken) auszudehnen.
13Die neue Vereinbarung über die Sorgfaltspflicht der Banken wurde am 2. Dezember 2002 von der Geschäftsleitung der Schweizerischen Bankiervereinigung verabschiedet und trat am 1. Juli 2003 in Kraft, zeitgleich mit der neuen Geldwäschereiverordnung der Eidgenössischen Bankenkommission. Die Neuerungen in der Sorgfaltspflichtvereinbarung sind im Wesentlichen Folgende :
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die meisten Ausnahmen für die Feststellung der Identität der Kunden wurden abgeschafft, und
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gemeinnützige Einrichtungen werden nicht mehr systematisch von der Überprüfung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten ausgenommen.
14Seit den 80er Jahren wurde die schweizerische Gesetzgebung im Bereich der Geldwäschereibekämpfung bedeutend verschärft. Mit dem Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei, das 1997 verabschiedet wurde und 1998 in Kraft trat, wurde eine Reihe von Neuerungen eingeführt :
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Die seit 1997 für den Bankensektor geltende Verpflichtung, die Identität des Kunden zu überprüfen (Sorgfaltspflichtvereinbarung), wurde auf sämtliche Finanzintermediäre ausgeweitet. Finanzintermediäre müssen gemäss dem Grundsatz know your customer die Identität des Kunden nachprüfen (Ausweis fotokopieren und Adresse einholen). Falls der Kunde im Namen eines Dritten handelt oder falls es sich um eine Sitzgesellschaft handelt, muss der wirtschaftlich Berechtigte in einer schriftlichen Erklärung angegeben werden.
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- 14 Siehe weiter unten, „Jahresbericht 2002 der MROS“.
Ferner müssen die Finanzintermediäre ihre Verdachtsmomente melden, falls ihnen eine Transaktion zweifelhaft erscheint. Zur Prüfung solcher Zweifel wurde die Meldestelle für Geldwäscherei geschaffen14.
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- 15 Ende 2002 wurden zwölf akkreditierte Selbstregulierungsorganisationen (SRO) gezählt sowie 6422 nich (...)
Der Vollzug des Geldwäschereigesetzes erfolgt nach dem Prinzip der Selbstregulierung und wird durch vier eidgenössische Überwachungsbehörden sichergestellt : die Eidgenössische Bankenkommission, das Bundesamt für Privatversicherungen und die Eidgenössische Spielbankenkommission in ihren jeweiligen Sektoren sowie die Kontrollstelle, welche die von ihr anerkannten Selbstregulierungsorganisationen überwacht. Die Finanzintermediäre müssen einer Selbstregulierungsorganisation beitreten oder sich einer direkten Überprüfung durch die Kontrollstelle unterziehen15.
- 16 Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zur Verhinderung von Geldwäscherei vom 18. Dezember (...)
15Als Aufsichtsorgan für den Bankensektor ist die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) namentlich dafür zuständig, die Einhaltung der Verpflichtungen des Geldwäschereigesetzes von 1998 zu überwachen. Im April 2001 wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt und mit der Ausarbeitung des Entwurfs für eine Durchführungsverordnung zum Geldwäschereigesetz beauftragt, welche die rechtlich weniger zwingenden Geldwäschereirichtlinien ersetzen sollte, die nach dem In-Kraft-Treten des neuen Geldwäschereigesetzes im Jahr 1998 verabschiedet worden waren. Im Anschluss an die Vernehmlassung wurde die neue Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission zur Verhinderung von Geldwäscherei von der EBK im Dezember 2002 verabschiedet16. Sie trat am 1. Juli 2003 in Kraft, wobei für den Vollzug gewisser Bestimmungen eine Übergangsfrist bis Ende 2004 gilt.
Jahrbuch 2003, Nr. 1, Kap. 8, Finanzplatz Schweiz, S. 136-138.
- 17 „EBK-Geldwäschereibericht“. Bericht der Eidgenössischen Bankenkommission zu ihrer Geldwäschereivero (...)
16Die Grundzüge der neuen Verordnung werden im Geldwäschereibericht der EBK kommentiert und zusammengefasst17. Zu den wesentlichsten Neuerungen gehören :
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In Bezug auf die Verhinderung von Geldwäscherei wird von den Finanzintermediären eine risikoorientierte Sorgfalt bei erhöhten Risiken verlangt. Dies bedeutet, dass in Geschäftsbeziehungen, die abstrakt höhere Risiken aufweisen, zusätzliche Abklärungen getroffen werden müssen.
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Die Verordnung regelt zudem die Frage der Geschäftsbeziehungen mit politisch exponierten Persönlichkeiten („politically exposed persons“, PEPs). Der Entscheid, solche Geschäftsbeziehungen aufzunehmen, weiterzuführen oder zu beenden, muss auf oberster Geschäftsleitungsebene getroffen werden. Finanzintermediäre dürfen keine Vermögenswerte annehmen, von denen sie wissen oder annehmen müssen, dass sie aus Verbrechen, Korruption oder Unterschlagung öffentlicher Gelder in der Schweiz oder im Ausland stammen.
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Die bisherigen Instrumente der Geldwäschereibekämpfung werden auch im Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung angewendet. Hegt der Finanzintermediär den Verdacht, dass Verbindungen zu einer terroristischen Organisation bestehen, so muss er diesen Verdacht der Meldestelle für Geldwäscherei mitteilen.
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Banken und Effektenhändler müssen über ein informatikgestütztes Transaktionsüberwachungssystem verfügen, um ungewöhnliche Bewegungen aufzudecken.
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Bei sämtlichen Zahlungen an Empfänger im Ausland müssen Angaben über den Auftraggeber gemacht werden.
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Gemäss der Verordnung ist es Schweizer Finanzintermediären verboten, die schweizerische Gesetzgebung durch Verwendung ausländischer Zweigniederlassungen oder Gruppengesellschaften zu umgehen. Sollte sich jedoch he rausstellen, dass die Schweizer Regeln strenger sind als jene im Ausland und somit einen Wettbewerbsnachteil für Schweizer Banken darstellen, kann die EBK die Situation beurteilen und gegebenenfalls eine Lösung finden.
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Schliesslich müssen die Finanzintermediäre die Rechts- und Reputationsrisiken ihrer ausländischen Zweigniederlassungen oder Gruppengesellschaften überwachen.
17Im Rahmen der Vernehmlassung hatten gewisse Finanzintermediäre die Geltung der Verordnung für Zweigniederlassungen im Ausland und die Verpflichtung zur Überwachung der Rechts- und Reputationsrisiken innerhalb der Unternehmensgruppe kritisiert. Diese Auflagen der Verordnung wurden jedoch beibehalten.
18Die dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement angegliederte Meldestelle für Geldwäscherei (MROS18) nimmt die Meldungen der Finanzintermediäre über zweifelhafte Transaktionen entgegen, bei denen der Verdacht besteht, dass Vermögenswerte oder eine Geschäftsbeziehung mit einem Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches oder mit einer kriminellen Organisation zusam menhängen. Die entsprechenden Konten werden blockiert, und die Meldestelle muss innerhalb von fünf Tagen abklären, ob der Verdacht begründet ist oder nicht. Falls ja, wird der Sachverhalt an die zuständige kantonale Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet. Wird nach dieser fünftägigen Frist keine Sperrung der Vermögenswerte verfügt, kann der Finanzintermediär diese wieder freigeben. Ein Finanzintermediär, der Meldung über einen verdächtigen Fall erstattet, kann nicht wegen Verletzung des Berufs- oder Bankgeheimnisses belangt werden. Der Personalbestand der Meldestelle, der von zahlreichen Beobachtern als ungenügend beurteilt wird, wurde von vier Personen im Jahr 2001 auf acht Spezialisten im Jahr 2003 erhöht.
- 19 MROS (BAP), 5. Jahresbericht. 2002, Bern, MROS, 2003, 61 S.
19Der Jahresbericht der MROS bietet einen Überblick über die gemeldeten Fälle19. Tabelle 35 enthält eine Zusammenfassung dieser Aufstellung. Gemäss dem Bericht hat sich die Zahl der Meldungen über Verdachtsfälle gegenüber dem Vorjahr um 56 Prozent erhöht. Diese Entwicklung ist primär auf die verstärkte Kontrolle im Bereich des internationalen Zahlungsverkehrs (Money Transmitter) zurückzuführen, während die Zunahme der Meldungen im Jahr 2001 im Wesentlichen durch die Terroranschläge vom 11. September in New York begründet war (Verdacht auf Zusammenhänge mit der Terrorismusfinanzierung).
Tabelle 35 : Jahresstatistik der MROS, 2001-2002
Quelle : MROS (BAP), 5. Jahresbericht. 2002, Bern, MROS, 2003, 56 S.
- 20 Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat den Geltungsbereich der Verordnung vom 2. Oktobe (...)
202002 gingen 652 Meldungen bei der MROS ein, gegenüber 417 im Jahr zuvor. 79 Prozent der Fälle wurden an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Dies ist als Beweis für die hohe Qualität der gelieferten Informationen zu werten, denn in knapp vier von fünf Fällen erwies sich der Verdacht als ausreichend, um ein Strafverfahren zu eröffnen. Die meisten verdachtsbegründenden Geschäftsbeziehungen wurden (in absteigender Reihenfolge) aus folgenden Kantonen gemeldet : Zürich (31 % der Fälle), Genf (21 %), Bern (12,4 %) und Tessin (9,3 %). Der Anteil der Meldungen aus den übrigen Kantonen belief sich auf 26 Prozent. 15 der im Jahr 2002 eingegangenen Meldungen bezogen sich auf den Verdacht der Terrorismusfinanzierung, gegenüber 95 Meldungen im Vorjahr. Gegenstand dieser Meldungen waren Personen oder Institutionen, die auf den so genannten Bush-Listen der US-Behörden aufgeführt sind. Verdachtsfälle in der Schweiz müssen dem Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) und der MROS gemeldet werden20. Diese Dossiers werden anschliessend der Bundesstaatsanwaltschaft zur Untersuchung übergeben.
21Erstmals seit dem In-Kraft-Treten des Geldwäschereigesetzes im Jahr 1998 stammte die Mehrzahl der Meldungen nicht mehr aus dem Bankensektor. 43 Prozent der im Jahr 2002 eingegangenen Meldungen erfolgten durch Anbieter von Zahlungsverkehrsdienstleistungen. Der Anteil der Meldungen aus dem Nichtbankensektor (ohne Berücksichtigung des Zahlungsverkehrs) betrug lediglich 15,5 Prozent, und nur 6,4 beziehungsweise 3,7 Prozent der Meldungen stammten von Treuhändern und Vermögensverwaltern. Auch seitens der Anwälte, Versicherungen, Kasinos und Wechselstuben gingen nur sehr wenige Meldungen ein. Kein einziger Verdacht wurde von den Anlageberatern und Effektenhändlern gemeldet, obwohl diese Berufsgruppen gemäss den Berichten der OECD über die Geldwäscherei eine zentrale Rolle beim Waschen von Geldern spielen.
22Aufschlussreich ist auch die Betrachtung der verdachtsbegründenden Elemente, auf die sich die Meldungen der Finanzintermediäre an die MROS stützen : Am wichtigsten sind dabei die kritische Analyse zweifelhafter Bartransaktionen (in 32 % der Fälle) sowie Presseinformationen über Personen oder Gesellschaften, bei denen Verdacht auf verbrecherische Handlungen besteht (17 %). Weitere wichtige Faktoren sind die unbefriedigende Erklärung des wirtschaftlichen Hintergrundes durch den Kunden (16 % der Fälle), die über Drittquellen erhaltenen Informationen über Risiken im Zusammenhang mit gewissen Kunden (15 %) sowie die Informationen der Strafverfolgungsbehörden, beispielsweise über laufende Verfahren gegen eine Person, die in einer Geschäftsbeziehung mit einer Bank oder mit einem Kunden der Bank steht.
23Die FATF mit Sitz in Paris ist die internationale Koordinationsstelle auf dem Gebiet der Geldwäschereibekämpfung. 2003 sind Südafrika und die Russische Föderation der FATF beigetreten. Seit 1990 dienen die 40 Empfehlungen der FATF als international anerkannter Standard für Massnahmen, die ein Land ergreifen muss, um wirksam gegen die Geldwäscherei vorzugehen. Diese Empfehlungen haben zwar keinen zwingenden Charakter, aber durch die periodischen Untersuchungen der Gesetzgebung der Mitgliedsstaaten und die veröffentlichten Berichte kann beträchtlicher Druck auf Staaten (FATF-Mitglieder und andere) ausgeübt werden, deren Gesetzgebung in Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäscherei grosse Lücken aufweist.
- 21 GAFI (OCDE), Les quarante recommandations, Paris, GAFI, 2003, 22 S., verfügbar unter http://www.fat (...)
242003 wurde eine überarbeitete Version der Empfehlungen verabschiedet21. Die wichtigsten Änderungen beziehen sich auf folgende Punkte :
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- 22 Die Empfehlungen beziehen sich nicht ausschliesslich auf das Waschen von Drogengeldern, sondern unt (...)
eine präzise Liste von Verbrechen, die den Straftatbestand der Geldwäscherei ausweiten22 ;
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eine Ausdehnung der Sorgfaltspflicht für Finanzinstitute. Bei der Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen, bei gelegentlichen Transaktionen sowie im Falle von Zweifeln am Wahrheitsgehalt gewisser zuvor erhaltener Informationen muss die Identität der Kunden beziehungsweise der wirtschaftlichen Nutzniesser von juristischen Personen überprüft werden ;
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eine Verschärfung der Massnahmen in Bezug auf Kunden und Transaktionen mit erhöhtem Risiko : Korrespondenzbanken (Beziehungen zu Banken im Ausland) und politisch exponierte Personen ;
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eine Ausweitung der Massnahmen zur Geldwäschereibekämpfung auf gewisse Berufsgruppen und Unternehmen aus dem Nicht-Finanzsektor wie beispielsweise Spielbanken, Immobilienhändler, Edelmetallhändler, Buchhalter, Anwälte, Notare, Erbringer von Unternehmensdienstleistungen usw. In der Tat hat die FATF in den vergangenen Jahren eine Verlagerung der Geldwäschereiaktivitäten festgestellt : Geldwäscher versuchen immer häufiger, den Nichtbankenbereich für ihre Aktivitäten zu nutzen, um die verschärften Kontrollmassnahmen im Bankensektor zu umgehen ;
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eine verstärkte Transparenz dank Nachforschungen über die Nutzniesser von juristischen Personen wie beispielsweise Treuhandgesellschaften oder Trusts ;
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die Ausweitung der Bestimmungen zur Geldwäschereibekämpfung auf den Kampf gegen die Terrorismusfinanzierung.
- 23 GAFI, Les recommandations spéciales sur le financement du terrorisme, Paris, 2001, 2 S.
25Um die Normen zur Verhinderung der Geldwäscherei auf die Terrorismusbekämpfung auszudehnen, verabschiedete die FATF im Oktober 2001 acht spezifische Empfehlungen im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung23. Gegenstand dieser Empfehlungen sind namentlich die alternativen Formen des Vermögenstransfers (die entsprechenden Akteure müssen sich bei einer Regierungsbehörde eintragen lassen oder eine Genehmigung zur Ausübung ihrer Tätigkeit erlangen) sowie eine verstärkte Überwachung der elektronischen Überweisungen (Einholen von Informationen über die Auftraggeber) und der nicht gewinnorientierten Organisationen, die zur Terrorismusfinanzierung missbraucht werden könnten.
- 24 Diese Liste umfasst neun Länder~: Ägypten, Cook-Inseln, Guatemala, Indonesien, Myanmar, Nauru, Nige (...)
26Ferner veröffentlicht und aktualisiert die FATF regelmässig eine Liste der nicht kooperativen Länder und Gebiete24. Die Finanzinstitute der FATF-Mitgliedsländer sind bei ihren Tätigkeiten und Operationen mit Personen und Unternehmen aus den Ländern dieser Liste zu besonderer Vorsicht verpflichtet. In solchen Fällen müssen rigorose Vorschriften für die Identifizierung der Kunden und der tatsächlichen Eigentümer von Finanzinstituten aus diesen Ländern befolgt und Finanztransaktionen mit diesen Ländern systematisch deklariert werden, um sie unter Druck dazu zu bewegen, ihre Gesetzgebung zur Bekämpfung der Geldwäscherei zu verschärfen. Die Entwicklung sowie die in den Ländern der Liste erzielten Fortschritte werden von der FATF periodisch beurteilt.
- 25 Botschaft vom 26. Juni 2002 betreffend die Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzi (...)
27Im November 2001 hatte der Bundesrat dem Parlament eine Vorlage zur Ratifizierung des internationalen Übereinkommens der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus aus dem Jahr 1999 sowie des Übereinkommens zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge von 1997 unterbreitet25. Bundesrätin Ruth Metzler schlug den Eidgenössischen Räten eine Änderung des Strafgesetzbuches vor (Art. 260quinquies), gemäss welcher Unternehmen, die als Deckmantel für die Terrorismusfinanzierung fungieren, strafrechtlich belangt werden sollten (strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen). In der Wintersession 2002 stimmten die Räte dem Beitritt zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zu, beurteilten jedoch die Änderung des Strafgesetzbuches als nicht notwendig, da sich insbesondere der Begriff Terrorismus nur schwer definieren lässt (fragliche Punkte waren beispielsweise die Befreiungskämpfe, der Kampf gegen eine Besatzungsmacht sowie die durch Demonstrationen entstandenen Schäden).
Jahrbuch 2003, Nr. 1, in Kap. 8.4., „Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung“, S. 144-146.
28Überdies wurde die Notwendigkeit einer Anpassung der schweizerischen Gesetzgebung von mehreren Strafrechtsexperten bestritten. Die Einführung einer strafrechtlichen Verantwortung von juristischen Personen ist bereits durch die Änderung des Strafgesetzbuches abgedeckt, die der Bundesrat 2001 vorgelegt hat. Die Möglichkeit zur Bestrafung ist in zwei Fällen gegeben, nämlich dann, wenn die strafbare Handlung wegen mangelhafter Organisation keiner bestimmten natürlichen Person innerhalb des Unternehmens zugerechnet werden kann, oder wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen zu haben, um eine solche Straftat zu verhindern.
29Mit dem In-Kraft-Treten des geänderten Artikels 340bis des Strafgesetzbuches, welcher der Bundesstaatsanwaltschaft zusätzliche Befugnisse im Kampf gegen den Terrorismus verleiht, wurden die Zuständigkeiten der Bundesstaatsanwaltschaft in den Bereichen Geldwäscherei, Korruption und organisiertes Verbrechen auf Straftaten ausgeweitet, die zum überwiegenden Teil im Ausland begangen wurden oder von denen mehrere Schweizer Kantone in gleichem Ausmass betroffen sind.
30Die Schweiz hat sich aktiv an der Ausarbeitung der Konventionen der OECD, des Europarates und der Vereinten Nationen zur Korruptionsbekämpfung beteiligt. Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit hat die DEZA eine Reihe von entsprechenden Leitlinien festgelegt.
31Im Jahr 2000 verabschiedete das Parlament die Änderung von Artikel 322 des Strafgesetzbuches, welcher die aktive und passive Bestechung von Amtsträgern bestraft. Seit dem In-Kraft-Treten der Änderung im Mai 2000 ist die aktive Bestechung ausländischer Beamter strafbar, und Unternehmen können im Ausland bezahlte Bestechungsgelder nicht mehr von der Steuer abziehen. Gleichzeitig trat die Schweiz dem OECD-Übereinkommen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr bei.
Jahrbuch 2000, Kap. 5, Aussenpolitik, S. 239-240.
32Die 30 Mitgliedsländer der OECD haben die OECD-Konvention ratifiziert, der auch weitere Staaten beigetreten sind (Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Chile und Slowenien). Gemäss dem neuen Artikel 100quater des Strafgesetzbuches vom 21. März 2003 kann ein Unternehmen, das nicht alle erforderlichen Vorkehrungen zur Unterbindung der Korruption getroffen hat, strafrechtlich verfolgt und mit einer Busse bis zu 5 Millionen Franken belegt werden. Die Strafbarkeit des Unternehmens besteht unabhängig davon, ob der Korruptionstatbestand einer bestimmten natürlichen Person zugerechnet werden kann oder nicht.
- 26 Korruptionsbekämpfung in der Schweiz. Antwort des Bundesrates auf die Interpellation von Nationalra (...)
- 27 Criminal Law Convention on Corruption.
- 28 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG, SR 241).
33In seiner Antwort auf eine Interpellation von Nationalrat Remo Gysin fasste der Bundesrat im Februar 2003 die Fortschritte zusammen, die in der schweizerischen Gesetzgebung im Bereich der Korruptionsbekämpfung erzielt worden sind26. Auf die Frage des Ratsmitglieds, wann die Schweiz die Strafrechtskonvention des Europarates27 ratifizieren werde, die sie am 26. Februar 2001 unterzeichnet hat und die am 1. Juli 2002 in Kraft getreten ist, erwiderte der Bundesrat, dass die Ratifizierung eine Änderung des schweizerischen Strafrechts erfordere. Die entsprechende Botschaft werde voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2004 den Eidgenössischen Räten vorgelegt werden. 1999 hatte der Bundesrates angesichts des Widerstandes, der in der Vernehmlassung geäussert wurde, auf die Strafbarkeit der Privatbestechung verzichtet. Allerdings ist die Qualifizierung der passiven Privatbestechung als Straftatbestand eine Voraussetzung für den Beitritt zum Strafrechtsübereinkommen des Europarates. Die aktive Privatbestechung werde im geltenden Recht durch das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb28 unter Strafe gestellt (Bestrafung von Personen, die Bestechungsgelder zahlen). Gysin hatte darauf hingewiesen, dass der Bundesrat von Transparency Switzerland aufgefordert worden war, innerhalb der Bundesverwaltung eine Stelle zu schaffen, um die Korruption zu bekämpfen und Präventionsmassnahmen zu ergreifen.
- 29 seco, Korruption vermeiden – Hinweise für im Ausland tätige Schweizer Unternehmen, 2003, 31 S., ver (...)
34Im September 2003 veröffentlichte das Staatssekretariat für Wirtschaft eine Broschüre, die einen Überblick über die neuesten Regelungen zur Korruptionsbekämpfung vermittelt29. Die in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz, dem EJPD, economiesuisse und Transparency Switzerland herausgegebene Publikation definiert den Korruptionsbegriff und unterstreicht die Bedeutung der Korruptionsbekämpfung, welche den Wettbewerb zwischen den Unternehmen verzerrt, zu einer Verschwendung von für die Durchführung öffentlicher Aufgaben budgetierten Ressourcen führt (z.B. zur Realisierung von Infrastrukturprojekten), dem organisierten Verbrechen Vorschub leistet und das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Einrichtungen untergräbt. In der Broschüre wird betont, dass sich ein Schweizer Unternehmen, welches einen ausländischen Amtsträger besticht, strafbar macht : Unter Umständen wird es von öffentlichen Ausschreibungsverfahren und von Aufträgen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit ausgeschlossen. Darüber hinaus erleidet der Ruf des Unternehmens massiven Schaden. Die Broschüre nennt Ansätze für Massnahmen, die innerhalb des Unternehmens zu ergreifen sind : Massnahmen im Bereich der internen Organisation, Integritätsklausel in Arbeitsverträgen und Aufträgen, Kontrollmassnahmen, Erstellung eines Verhaltenskodex zur Korruptionsbekämpfung.
35Die NGO Transparency International, die von der DEZA unterstützt wird, ist die bedeutendste Nichtregierungsorganisation auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung30. Sie veröffentlicht jedes Jahr einen Korruptions-Wahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index CPI)31, der die Wahrnehmung verschiedener Gruppen und der Bevölkerung über das Ausmass der Korruption in den einzelnen Ländern misst. An der Spitze der am wenigsten korrupten Länder liegen Finnland (mit einer Note von 9,7 im Vergleich zur Bestnote 10), Island, Dänemark, Neuseeland und Singapur. Die Schweiz belegt zusammen mit Australien und Norwegen den achten Platz. Auf den hintersten Rängen finden sich die von Korruption am stärksten betroffenen Länder, nämlich Bangladesch (133. Rang), Nigeria, Haiti, Paraguay und Myanmar (129. Rang).
36Darüber hinaus veröffentlicht Transparency International einen jährlichen Bericht über die Korruption in der Welt (Global Corruption Report)32 und seit 2003 auch das Global Corruption Barometer (in Zusammenarbeit mit Gallup International). Dabei wurde in einer Umfrage in verschiedenen Ländern die Frage gestellt, welche Institutionen man mit einem Zauberstab von Korruption befreien würde, wenn man die Gelegenheit dazu hätte. Insgesamt wurden an erster Stelle (auch in der Schweiz) die politischen Parteien genannt, gefolgt vom Gerichtswesen, der Polizei und dem Gesundheitswesen33.
- 34 Artikel 5, Absatz 3 der Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption.
- 35 Artikel 12.
- 36 Artikel 31 (Einfrieren, Beschlagnahme und Konfiskation), 38 (Behördenzusammenarbeit im Inland), 43 (...)
37Im Dezember 2003 wurde eine neue Konvention zur Unterzeichnung aufgelegt. Sie wird in Kraft treten, sobald sie von 30 Staaten ratifiziert worden ist. Das neue Übereinkommen misst der Prävention besonderes Gewicht bei. Die Staaten werden verpflichtet, ein Organ für Korruptionsprävention einzusetzen, welches die Politiken zur Korruptionsbekämpfung koordiniert und Informationen anbietet. Jeder Staat ist angehalten, sein gesetzliches Instrumentarium regelmässig neu zu beurteilen, um sicherzustellen, dass die Korruption mit adäquaten Mitteln bekämpft wird34. Zudem sieht die Konvention Verhaltensregeln für Beamte und Verfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge vor. Die Staaten müssen Massnahmen zur Verhinderung der Korruption im Privatsektor treffen : Verschärfung der Rechnungslegungsvorschriften, Festlegung zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlicher Sanktionen als Abschreckungsmassnahme, Förderung der Aufdeckung und Bestrafung von privater Korruption, Förderung von Verhaltenskodexen35. Die neue Konvention deckt neben der Korruption auch die Unterschlagung öffentlicher Gelder und die Geldwäscherei ab. Sie enthält ein Paket von Regeln und Massnahmen zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und der nationalen Bekämpfungsmassnahmen. Ein Rechtshilfesystem soll das Einfrieren und die Beschlagnahmung fraglicher Vermögenswerte sowie die Amtshilfe in Fällen von länderübergreifender Korruption erleichtern und die Rückgabe von Geldern, die von korrupten Staatschefs unterschlagen wurden, regeln36. Insbesondere das Kapitel über die Rückerstattung, das auf Antrag der Länder des Südens in die Konvention aufgenommen wurde, stellt ein Novum dar. Die Konvention legt fest, dass beschlagnahmte Guthaben der Anspruch erhebenden Vertragspartei zurückerstattet werden. Sie müssen in erster Linie an die früheren legitimen Eigentümer zurückgegeben oder aber zur Entschädigung der Opfer verwendet werden. Die Vertragsparteien haben die Möglichkeit, im Einzelfall Abkommen über die definitive Verwendung konfiszierter Vermögenswerte abzuschliessen. Die Schweiz hatte sich zu Gunsten von Verfahrensregeln für die Rückerstattung der Guthaben an das geschädigte Land engagiert. Im Falle der Abacha-Affäre beispielsweise hat die Schweiz über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ, Basel) mit Nigeria Abkommen über die Rückerstattung der Gelder geschlossen, um die Auslandsverschuldung Nigerias zu reduzieren. Auch die in der Schweiz beschlagnahmten Gelder des ehemaligen peruanischen Geheimdienstchefs Montesinos wurden an Peru zurückerstattet und zur teilweisen Finanzierung der Tätigkeit der Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission verwendet, welche die Folgen des Kampfes gegen die Guerilla-Organisation Leuchtender Pfad aufdecken soll.
38Transparency International bedauert gewisse Schwachstellen dieser neuen Konvention, wie beispielsweise den fehlenden Kontrollmechanismus oder die teilweise zurückhaltenden Formulierungen, die den zwingenden Charakter gewisser Bestimmungen abschwächen. Zudem ist es den Ländern freigestellt, gewisse Machenschaften als Straftatbestände anzuerkennen, beispielsweise die Vetternwirtschaft (Opposition der angelsächsischen Länder) oder die Bestechung zwischen Privaten (Widerstand der Vereinigten Staaten und Chinas).