1Das Jahr 1992 war für die Industrieländer ein Wirtschaftsjahr mit mehr oder weniger ausgeprägter Rezession. Die Wirtschafts– und Handelsbeziehungen wurden zudem durch die Auswirkungen des Systemwandels von der zentral gelenkten Planwirtschaft zur wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft in den Län–dern Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion (Ostländern) beeinflusst. Diese Ländergruppe durchlebte ein Jahr äusserst unterschiedlicher Entwicklung, abhängig davon, wie weit fortgeschritten die Umstellung auf die freien Markt–mechanismen war. Die Gruppe der Entwicklungsländer weist 1992 für den Durchschnitt aller Länder ein positives Wachstum aus, mit starken Unterschieden je nach Regionen, Entwicklungsgrad und Einbettung in die Weltwirtschaft. Das grösste Wachstum weisen die asiatischen Länder aus ; Latein– und Zentralamerika verzeichnet als Gruppe ebenfalls ein positives Wachstum. Die afrikanischen Länder bilden die wirtschaftlich schwâchste Region der Welt und weisen auch für 1992 ein geringes nationales Wirtschaftswachstum aus ; das Wachstum des BIP pro Kopf ist angesichts des hohen Bevölkerungswachstums sogar negativ.
2Die Tendenz, durch Vereinbarungen régionale Wirtschaftszonen mit intensiviertem Handels– und Wirtschaftsaustausch zu schaffen, hat sich 1992 fortgesetzt : die Lânder der Europäischen Gemeinschaft wollen einen gemein–samen Binnenmarkt schaffen (europäisches Wirtschaftsabkommen, der sog. „Vertrag von Maastricht“) ; die USA, Kanada und Mexiko bereiten das Nord–amerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) vor ; vier Länder Lateinamerikas (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) wollen sich zum Mercosur zusam–menschliessen. In Asien wollen die sechs Asean–Mitglieder Thailand, Malaysia, Singapur, Brunei, Indonesien und die Philippinen eine Freihandelszone schaffen (Asean Free Trade Area, Afta). Sie bilden zusammen mit den anderen jungen Industrieländern der Region und dem wachsenden Wirtschaftsriesen China eine starke Wirtschaftsregion.
31992 wurde zwischen den Ländern der OECD und den sechs wirtschaftlich dynamischsten Ländern Asiens (Hong Kong, Korea, Malaysia, Singapur, Taiwan und Thailand) ein Dialog aufgenommen, mit dem Ziel die gegenseitigen Wirt–schaftsbeziehungen zu stärken, dem sich 1993 die vier lateinamerikanischen Länder Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko anschlossen. Zahlreiche weitere kleinere Ländergruppen unterzeichneten Handelsabkommen oder bereiten eine intensivierte regionale Zusammenarbeit vor, wie beispielsweise die sieben süd–ostasiatischen Länder Indien, Pakistan, Bangladesh, Sri Lanka, Népal, die Male–diven und Bhutan, welche durch einen Zollabbau den regionalen Handel fördern wollen.
4Der verzeichnete Trend zu vermehrtem Bilateralismus und Regionalismus im Handel steht den Bemühungen zum Abschluss der Uruguay–Runde der GATT–Verhandlungen entgegen, welche einen liberalen multilateralen Rahmen für den Welthandel zum Ziel haben.
5Länderklassifizierung in der Übergangsphase
6Mit dem Reformprozess in den Ostländern und der wirtschaftlichen Entwicklung im asiatisch–pazifischen Raum stehen statistische Neudefinitionen für die Länder–klassifikation an. Insbesondere die Länder in der Übergangsphase von der Plan–zur Marktwirtschaft und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion müssen statistisch erfasst und neu in die Länderlisten eingeordnet werden. Wir verwenden für diese Ländergruppe den Sammelbegriff Ostländer und meinen damit sämtliche Länder der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropas. Ab Januar 1993 gelten die fünf asiatischen Republiken Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan gemäss OECD–Klassifikationssystem als Entwicklungsländer. Mit einer Übergangszeit von drei Jahren ab Januar 1993 sollen nach dem Vorschlag des Entwicklungskomitees der OECD zudem die wirtschaftlich erstarkten Länder Singapur, Bahamas, Katar, Kuwait, Arabische Emirate und Brunei von der Liste der Entwicklungsländer gestrichen werden. Fur die 1992 geltende Länderklassifikation verweisen wir auf die Définition (OECD, UNO) im statistischen Teil.
7Dieses Kapitel stützt sich – wo keine andere Quelle vermerkt ist – auf die Wirtschafts–daten, welche die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in ihrem 63. Jahres–bericht (Basel, Juni 1993) ausweist.
8Die Industrieländer verzeichneten 1992 ein reales Wachstum der Produktion (BIP) von 1,5 Prozent (die sieben grössten Länder) bzw. 1 Prozent (alle übrigen). Die USA verzeichneten einen leichten Aufschwung, während die europäischen Länder 1992 eine rückläufige Produktion ausweisen, welche einherging mit steigenden Arbeitslosenzahlen und hohen Haushaltsdefiziten. Allgemein hielt 1992 die Rezes–sion, die 1989 eingesetzt hatte, an. Die Schweiz weist für 1992 wie bereits im Vorjahr einen Rückgang der Bruttoinlandsproduktion aus, und zwar von 0,6 Prozent ; die Arbeitslosenquote stieg auf über 4 Prozent. In den OECD–Ländern stieg die durchschnittliche Arbeitslosenquote 1992 auf 8 Prozent.
9Die Reformpolitik dieser Ländergruppe beinhaltet insbesondere folgende durch–greifende Massnahmen : Liberalisierung der Preise und des Aussenhandels, Öffnung des Landes für ausländische Investitionen, Einführung neuer Wechsel–kurse. Die Länder Osteuropas verzeichneten 1992 als Gruppe einen markanten Produktionseinbruch von rund 16 Prozent, nachdem 1991 ein BIP–Rückgang von rund 12 Prozent und 1990 ein solcher von 5 Prozent ausgewiesen worden war. Verbessert hat sich die Wirtschaftssituation in denjenigen Ländern, in denen die Umstellung auf die Marktwirtschaft am weitesten fortgeschritten ist (Polen, Ungarn, ehemalige Tschechoslowakei). Der Privatsektor entwickelte sich in diesen Ländern stark. Sie waren imstande, ihre Exporte auf die Märkte der Industrieländer umzulenken und Auslandsinvestitionen anzuziehen. Die wirtschaftliche Umstruk–turierung bedingt in allen Ländern grundlegende politische Reformen und gestaltet sich als langwieriger Prozess mit schrumpfender Produktion und steigender Arbeitslosigkeit, der für weite Teile der Bevölkerung schlimme Entbehrungen mit sich bringt.
10Insbesondere die ehemaligen Sowjetrepubliken verzeichneten bis Ende 1992 nur geringe Fortschritte auf dem Weg zu wirtschaftlicher Stabilität. Es fehlte die klare Ausrichtung der politischen Reformen sowie der Währungsreformen (Zusam–menbruch der Rubelzone). In vielen Republiken herrschten innere Unruhen und kriegerische Auseinandersetzungen bis zu offenem Bürgerkrieg. Die wirtschafts–politischen Anstrengungen wurden von einer hohen Auslandsverschuldung über–schattet. Allen Ländern gemeinsam sind folgende Probleme : steigende Haushalts–defizite, Abhängigkeit vom Exportwachstum, hohe Realzinsen und die Privatisie–rung von ehemaligen Staatsbetrieben. Zudem kam es in Russland beispielsweise zu einer erheblichen Kapitalflucht, und mangels genügender Währungsreserven konnte das Land seine Schuldendienstverpflichtungen nicht erfüllen.
11Die Industrieländer bekräftigen immer wieder ihre Absicht, den Reformprozess in Osteuropa und in den Sowjetrepubliken zu unterstützen. So beispielsweise auch am Wirtschaftsgipfel in Tokio 1993 in der politischen „Erklärung für eine sichere und menschlichere Welt“. Die betroffenen Länder allerdings empfinden das Verhalten in der Praxis oftmals als Rückzieher gegenüber den geleisteten Versprechen. Insbesondere kritisieren sie die Beschränkungen, mit denen einige Industrieländer in letzter Zeit die Importe aus Osteuropa belegt haben, um ihre eigenen Produ–zenten zu schützen.
12Das Produktionswachstum in den Entwicklungsländern und in den jungen In–dustrieländern beschleunigte sich 1992 auf 4,6 Prozent. Einer starken Wirtschafts–aktivität in Asien und im Nahen Osten stand eine Abschwächung in Afrika und in Lateinamerika gegenüber. Tabelle 1 zeigt das globale Wachstum des realen BIP in den Entwicklungslândern und in den jungen Industrieländern.
Tabelle Nr. 1. BIP–Wachstum in den Entwicklungsländern
Quellen : IMF, World Economie Outlook ; UN, Economie Commission for Latin America und the Caribbean Angaben der einzelnen, in : BIZ–Jahresbericht, Basel
Note 1: Finanzjahr; Note 2 : Berichtsjahr beginnt am 21. März; Note 3 : Gewogener Durchschnitt, berechnet unter Verwendung der BIP–Gewichte und Wechsel–kursevon 1984–86
13Latein– und Zentralamerika : Die Länder Latein– und Zentralamerikas haben ihre während der achtziger Jahre begonnenen Wirtschaftsreformen vertieft und aus–geweitet. Die Reformpolitik hat zu Beginn der neunziger Jahre angefangen, die Produktion in den meisten Ländern zu beleben, nachdem die achtziger Jahre als „verlorene Entwicklungsdekade“ in die Wirtschaftsannalen Lateinamerikas ein–gehen werden. Dies unter anderem wegen der hohen Aussenverschuldung und des damit zusammenhängenden Kapitalabflusses aus der Région. Seit 1991 sind die Netto–Kapitalzuflüsse wieder gestiegen, insbesondere in Form von rückflies–sendem Fluchtkapital und von Direktinvestitionen. Das BIP–Wachstum für die Region betrug 1991 2,9 Prozent und 1992 2,3 Prozent. Ausnahmen bilden Peru und Brasilien, wo die Produktion weiterhin rückläufig blieb. Es sind vor allem interne Faktoren, insbesondere eine steigende Investitions– und Konsumnachfrage, welche der Region zu Wirtschaftswachstum verhelfen. Ein brennendes sozialpoliti–sches Problem bleibt für die ganze Region die Armut breiter Teile der Bevölkerung. Der langfristige Erfolg der Reformpolitik hängt davon ab, ob eine tiefgreifende gerechtere Einkommensverteilung nachhaltige Verbesserung für aile Bevölke–rungskreise bringen wird oder ob bloss eine Elite von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert.
14Asien : Die dynamischste Wirtschaftsregion ist auch 1992 der asiatische Raum. Besonders markant sticht dabei China hervor, das ein reales BIP–Wachstum von 13 Prozent ausweist. In den jungen Industrieländern verlangsamte sich das Wachstumstempo 1992 etwas, nachdem dieses in den Vorjahren rasch expandiert hatte. Indien verzeichnete einen beachtlichen Aufschwung. Diese Länder weisen als Wachstumsfaktoren in der Regel niedrige Arbeitskosten und ein hohes Produk–tivitätswachstum sowie eine starke Ausweitung des Handels aus.
15Afrika : In Afrika fiel das durchschnittliche Produktionswachstum 1992 auf nur noch 1 Prozent. Eine ausgeprägte Dürreperiode in weiten Teilen des Kontinents brachte Rückschläge für die Landwirtschaft. Politische Unruhen in zahlreichen Ländern wirkten sich ebenfalls verheerend auf den Entwicklungsprozess aus. 20 Prozent der gesamten Produktion Afrikas entfallen allein auf Nigeria (weitere 20 Prozent auf Südafrika). Viele afrikanische Länder befinden sich in Strukturreformprogrammen und verzeichnen immer noch ein geringes Produktionswachstum. Es fliessen kaum Investitionen in die Region. Das schwache BIP–Wachstum von 1 Prozent konnte auch 1992 bei einem Bevölkerungswachstum von rund 3 Prozent den anhaltenden realen Einkommensverlust nicht stoppen.
16Die verbreitete Kritik an den Strukturanpassungsprogrammen von IWF und Weltbank für die Länder Afrikas mit ihrem exportorientierten Wachstumsprinzip scheint Recht zu erhalten durch die düsteren Wirtschaftszahlen. Zwar steigern die Länder die Rohstoffexporte, dies jedoch zu stetig sinkenden realen Rohstoff–preisen. Es gibt positive Ausnahmen wie Ghana, doch ist Ghana eines der wenigen Goldexporteure Afrikas (nebst Südafrika). Der Preiszerfall von Rohstoffen und Landwirtschaftsgütern setzt der Region ebenfalls zu und der Agrarprotektionismus in den Industrieländern erschwert den Marktzugang für afrikanische Produkte. (Ein Beispiel : Auf afrikanische Schokolade wird durchschnittlich der fünffache Zoll von afrikanischem Kakao erhoben. NZZ, 7.6.93).
17Rohstoffpreise
18Im Jahre 1992 sanken die realen – d.h. mit den Exportpreisen industrieller Fertigerzeugnisse deflationierten – Rohstoffpreise (ohne Öl, das praktisch kon–stant blieb) weiter ab. Der technologische Fortschritt verbilligt die Ausbeutung von Rohstoffen fortlaufend und erhöht in der Regel das Angebot, was wiederum auf die Preise drückt. Bei einigen Metallen spielt das Recycling bereits eine gewisse Bedeutung und setzt die Preise ebenfalls unter Druck. Man rechnet auch in Zukunft eher mit sinkenden als mit steigenden Rohstoffpreisen, vor allem für diejenigen Rohstoffe, die substituiert werden können wie beispielsweise Kupfer durch die Glasfasertechnologie. Für die Entwicklungsländer wäre es angesichts dieses Trends wünschenswert, die Verarbeitung der Rohstoffe vermehrt im eigenen Land durchzuführen, um die lokale Wertschöpfung zu erhöhen. Bedingung fürden Erfolg dieser Strategie ist die Öffnung der Märkte der Industrieländer für diese verar–beiteten Produkte (SKA–Bulletin 5/6/1993, Rohwarenmärkte und Entwicklungsländer).
19Die Preise für Agrarerzeugnisse stiegen nach früheren Rückgängen 1992 leicht an, aber die Genussmittelpreise sanken, ebenfalls die Preise für Metalle und Erze. Andererseits stiegen die Preise industrieller Fertigwaren an. Je nach Exportstruk–tur eines Landes waren die Austauschverhältnisse (Terms of trade) besser als im Vorjahr (für die Industrieländer) oder wiederum schlechter (für die meisten Entwicklungsländer).
20Direktinvestitionen
21Die Direktinvestitionen in die Entwicklungsländer waren 1992 umfangreich und laut Angaben des IWF gegenüber dem Vorjahr noch gestiegen, und zwar netto (Zuflüsse minus Abflüsse) von 30 Milliarden Dollar 1991 auf geschätzte 38 Milliarden Dollar 1992. Der grösste Teil wurde von den Ländern in Asien absorbiert (netto 18 Milliarden Dollar), doch stiegen auch die Investitionen in Lateinamerika (12 Milliarden) und in Osteuropa (rund 3 Milliarden) deutlich an. Es scheint, dass die Handelsliberalisierung, Privatisierung und Deregulierung der Märkte sowie die verstärkte Öffnung zum Aussenhandel die Direktinvestitionsflüsse in die Entwicklungsländer beleben. Weltweit haben sich die Direktinvestitionen nach einem Höchststand 1990 von 234 Milliarden Dollar abgeflacht auf 183 Milliarden Dollar 1991 und auf 150 Milliarden Dollar 1992 (Zahlen aus dem UNCTAD–Weltinvesti–tionsbericht 1993). Dies ist wohl zum grössten Teil auf die Rezession in den Industrieländern zurückzuführen.
22Die OECD und die Weltbank weisen für 1992 einen markant gestiegenen Netto–Ressourcentransfer zugunsten der Entwicklungsländer aus. Trotz der Rezession in den Industrieländern ist der gesamte Kapitalstrom in die Entwicklungsländer 1992 gegenüber dem Vorjahr um über 20 Prozent gestiegen. Die Zahlen der Weltbank sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Die privaten Mitlel übersteigen erst–mals wieder die öffentlichen Mittel, dies insbesondere wegen einer starken Ausweitung der privaten Bankdarlehen und dem Wachstum der Direktinvestitionen. Die privaten Bankgelder erreichten mit über 40 Milliarden Dollar den höchsten Stand der letzten zehn Jahre. Eher bescheiden entwickelte sich in den letzten Jahren das Wachstum der öffentlichen Entwicklungshilfe, welche 1992 sogar rückläufig war.
23
Tabelle Nr. 2. Langfristiger Mittelzufluss in die Entwicklungsländer
(in Mrd $)

Quelle : World Debt Tables 1993–94, in : NZZ, 16.12.1993.
Note 1: Bei den Zahlen für 1993 handelt es sich um Prognosen; Note 2: Definiert als Kapitalzufluss abzüglich Amortisationen; Note 3: Definiert als Netto–Ressourcenzufluss abzüglich Zinsendienst und Gewinnüberweisungen.
24Grosse regionale Unterschiede
25Auch im Jahre 1992 stechen die grossen regionalen Unterschiede beim Wirt–schaftswachstum ins Auge, ein Trend, der bereits während den gesamten achtziger Jahren auffällt : Ein hohes Wirtschaftswachstum in Asien, geringes Wachstum und rückläufige Pro–Kopf–Einkommen in Afrika und in Lateinamerika. Tabelle 3 zeigt die Entwicklung auf. Die Verteilung des Welteinkommens ist nicht gerechter geworden in dem Sinne, dass die Ärmsten vermehrt am Einkommen teilhaben. Eine Untersuchung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (63. Jahresbericht, Basel 1993, S. 68) zeigt auf, dass die ärmsten zwanzig Prozent der Menschheit 1960 einen Anteil am Welteinkommen von 5 Prozent verzeichneten, der 1990 auf 3,4 Prozent gefallen ist. Regional gesehen, verschlechterte sich die Einkommensentwicklung in Afrika in diesem Zeitraum stetig, während das Einkommen in Lateinamerika nach einer Stabilität bis anfangs der achtziger Jahre im letzten Jahrzehnt erheblich gesunken ist. Heute herrschen denn auch weitver–breitete Zweifel an der Annahme, dass sich die relative Position der armen gegenüber den weiter fortgeschrittenen Ländern durch technologischen Transfer und durch Kapitaltransfers generell verbessere und dass Entwicklungsfortschritte automatisch auf die ärmsten Bevölkerungskreise durchsickern.
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Tabelle Nr. 3. Einkommensverteilung nach Regionen

Anmerkung : Die Berechnungen basieren auf Länderdurchschnitten ; Einkommensunterschiede innerhalb eines Landes bleiben unberücksichtigt.
Quellen : Summers, R. und Heston, A. (1991) : „The Penn World Table (Mark 5) : an expanded set of international comparisons, 1950–88“, Quarterly Journal of Economies, S. 327–348 ; IMF, International Financial Statistics ; World Bank, World Tables ; eigene Schätzungen, in : BIZ–Jahresbericht, Basel, 1993.
27UNDP–Entwicklungsbericht
28Seit vier Jahren veröffentlicht das UNO–Entwicklungsprogramm (UNDP) einen Jahresbericht zur menschlichen Entwicklung, welcher den auf dem Bruttosozialprodukt oder dem Realeinkommen pro Kopf basierenden Statistiken der Finanz–institute einen um viele Faktoren erweiterten „Indikator der menschlichen Entwicklung“ gegenüberstellt. Der Bericht 1993 stellt fest, dass in den Industrieländern und in den Entwicklungsländern Wachstum ohne Schaffung von Arbeitsplät–zen stattfindet, was zu Millionen von Arbeitslosen und Unterbeschäftigten weltweit führt. Die Autoren plädieren dafür, dass „Wachstum neu verteilt“ werden soll : Der Faktor menschliche Arbeit muss aufgewertet werden, indem vermehrt in die Bildung und die Gesundheit, insbesondere auch der Frauen, investiert wird. Der Faktor Kapital muss um die Dimension „menschliches Kapital“ und des „Umwelt–capitals“ erweitert werden. Es sollen vermehrt arbeitsintensive Technologien gefärdert werden und die Regierungen der Entwicklungsländer werden aufge–fordert, die Beschäftigung im informellen Sektor zu unterstützen. Eine weitere Forderung des Berichts ist die wirtschaftliche und politische Dezentralisierung. Viel zu viel Kapital konzentriere sich in den Zentren.