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Analysen und stellungnahmen

Wieso sollte die Schweiz den Institutionen von Bretton Woods beitreten ?

Hans Ith
p. 207-209

Volltext

1Der Grundsatzentscheid des Bundesrates, den Institutionen von Bretton Woods (Internationaler Währungsfonds ; Weltbank und ihre Tochterinstitute) beizutreten, wurde im August 1982 gefällt, im gleichen Monat, in dem die Schuldenkrise ausbrach. Es war Indessen nicht die internationale Verschuldung, welche unsere politischen Instanzen davon abhielt, den Beitritt zu vollziehen, sondern die negative UNO-Abstimmung. Zur Verzögerung beigetragen hat aber auch die kritische Einstellung entwicklungspolitischer Kreise gegenüber dem internationalen Währungsfonds.

2Seither haben sich die internationalen Interdependenzen – im positiven wie im negativen Sinn – weiter verstärkt und zu einer kaum für möglich gehaltenen Entspannung in den Beziehungen zwischen den beiden Supermächten geführt. Damit einher ging eine Aufwertung der multilateralen Gremien. Auf aussenpolitischer Ebene bedeutet dies für die Schweiz, dass ihre „Nischenpolitik der guten Dienste” an Bedeutung verliert. Zudem wird ihr Abseitsstehen bei wirtschafts- und währungspolitischen Entscheidungen international immer weniger verstanden.

3Wenn die Schweiz in diesen Zeiten des Umbruchs ihre eigene Identität bewahren will, so wird sie sich nicht darauf beschränken können, einen Platz im integrierten Europa zu finden, sondern sie wird auch ihre weltweiten Beziehungen neu regeln müssen. Diese Aussage gilt ganz besonders im Verhältnis zu den Institutionen von Bretton Woods.

4Was den Internationalen Währungsfonds (IWF) betrifft, so hat er Aufgaben zu erfüllen, die für die wirtschaftlich stark vom Ausland abhängige Schweiz von erheblicher Bedeutung sind. Zum einen ist er beauftragt, die währungsmässigen Voraussetzungen für ein gutes Funktionieren der Weltwirtschaft zu schaffen, zum andern übernimmt er wichtige Funktionen bei der Lösung des Schuldenproblems. Die Weltbank ihrerseits erfüllt neben ihrer angestammten Tätigkeit in der Entwicklungshilfe zunehmend auch Aufgaben im Umweltschutzbereich.

5Die Schweiz hat zwar auch bisher das Wirken dieser Institutionen mit namhaften Beiträgen unterstützt, ihre Möglichkeiten der Mitsprache und der Mitgestaltung waren jedoch beschränkt.

6Diese Ausgangslage veranlasste den Bundesrat, anfangs Juni 1990 die Bewerbungsschreiben für die Mitgliedschaft beim Internationalen Währungfonds und bei der Weltbank einzureichen. Seither hat das aus 13 Exekutivdirektoren bestehende Mitgliedschaftskomitee des IMF dreimal getagt, ohne sich aber auf eine Quote für unser Land einigen zu können. Dennoch darf davon ausgegangen werden, dass die Schweiz einen Kapitalanteil erhält, der ihren Vorstellungen entspricht.

7Dies würde es dem Bundesrat ermöglichen, in einer Botschaft an die eidg. Räte den Beitritt der Schweiz zu den Institutionen von Bretton Woods zu beantragen. Da diese Vorlage dem fakultativen Referendum unterstünde, stellt sich die Frage, ob das Referendum ergriffen und die Vorlage vor dem Volk gegebenenfalls Gnade finden würde. Einiges legt den Schluss nahe, dass die referendumspolitische Hürde genommen werden könnte.

8Entwicklungspolitische und kirchliche Kreise befürworten seit längerer Zeit einen Beitritt unter der Voraussetzung, dass sich die Schweiz im IWF auf eine Politik verpflichtet, die nicht im Widerspruch zum schweizerischen Entwicklungshilfegesetz steht. Auch die Sozialdemokratische Partei hat sich am Parteitag 1990 dieser Haltung angeschlossen. Ebenfalls in diese Richtung bewegte sich die Erklärung von Bern, auch wenn ihre Bedingungen restriktiver gehalten sind.

9Darin widerspiegelt sich die grundsätzliche Anerkennung des Prinzips der Konditionalität, d.h. der Einsicht, dass die Entwicklungsländer ihre vielfältigen Probleme nur lösen können, wenn sie wirtschafts- und währungspolitische Vorkehren zur Gesundung ihrer Volkswirtschaften ergreifen. Diese Massnahmen sind sozialverträglich auszugestalten, denn nur so kann vermieden werden, dass das Wirtschaftspotential eines Landes langfristig Schaden nimmt. Wenn die Schweiz Mitglied des IWF wird, verbessern sich die Möglichkeiten, auf den in Gang befindlichen Prozess der Neugestaltung der Konditionalität Einfluss zu nehmen und unsere diesbezüglich reichen Erfahrungen einzubringen.

10Opposition gegen einen Beitritt zu den Institutionen von Bretton Woods haben bisher nur die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) sowie die Aktion Finanzplatz Schweiz – Dritte Welt angemeldet. Für die in bürgerlichen Kreisen verankerte AUNS dürfte es jedoch schwierig sein, die Vertreter der Wirtschaft mehrheitlich von ihrer Haltung zu überzeugen. Denn es darf nicht ausser acht gelassen werden, dass schweizerische Export-Unternehmungen ein nicht unerhebliches Interesse daran haben, an Projektausschreibungen der Weltbank wie Konkurrenten aus Mitgliedsländern teilnehmen zu können.

11Diese Gleichstellung konnte bisher erreicht werden, weil die Schweiz ihren Kapitalmarkt der Weltbank für ihre Kreditaufnahme uneingeschränkt zur Verfügung stellte und die Eidgenossenschaft Entwicklungsprojekte in Form von Kofinanzierungen über diese Institution abwickelte. Wegen der Liberalisierung der internationalen Finanzmarkte verliert der Finanzplatz Schweiz als Argument für die Gleichbehandlung zunehmend an Zugkraft. Hinzu kommt, dass auch Mitgliedstaaten der Weltbank damit begonnen haben, die bisherige „schweizerische Spezialität” der Kofinanzierung zu betreiben.

12Über kurz oder lang könnten somit jene Kräfte wieder Auftrieb erhalten, denen die schweizerische Gleichstellung immer ein Dom im Auge war. Dies ganz besonders deshalb, weil es der schweizerischen Wirtschaft bisher immer gelang, einen überproportional hohen Anteil der Ausschreibungen an sich zu ziehen.

13Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass die Schweiz gute Gründe für einen Beitritt zu den Institutionen von Bretton Woods hat, auch wenn die Motive unterschiedlicher Art sind. Sie zeigen, dass sich wirtschaftliche und entwicklungspolitische sowie aussenpolitische und währungspolitische Gesichtspunkte durchaus vereinbaren lassen.

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Zitierempfehlung

Papierversionen:

Hans Ith, „Wieso sollte die Schweiz den Institutionen von Bretton Woods beitreten ?“Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 10 | 1991, 207-209.

Online-Version

Hans Ith, „Wieso sollte die Schweiz den Institutionen von Bretton Woods beitreten ?“Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik [Online], 10 | 1991, Online erschienen am: 13 April 2013, abgerufen am 14 Februar 2025. URL: http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/sjep/1214; DOI: https://0-doi-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/10.4000/sjep.1214

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Autor

Hans Ith

Sektionschef Währung, Eidgenossiche Finanzverwaltung, Bern

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