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Analysen und stellungnahmen

Soll die Schweiz den Bretton-Woods-Institutionen beitreten ?

Die Meinung eines Schweizer Bankiers
Peter Buomberger
p. 211-213

Volltext

1Die Frage des Beitritts der Schweiz zum Währungsfonds (IWF) und der Weltbankgruppe, den Bretton-Woods-Institutionen, wurde in der Vergangenheit wiederholt aufgeworfen. Die Schweiz verzichtete bisher auf einen Beitritt primär aus währungs- und handelspolitischen Gründen. So z.B. glaubte man Ende der 40er Jahre, dass der Währungsfonds diskriminierende Massnahmen gegenüber dem Schweizer Franken ergreifen könnte, oder dass Informationen, die die Mitgliederländer dem IWF zu liefern haben, mit dem Bankgeheimnis in Konflikt kommen könnten. Später glaubte man, dass eine Mitgliedschaft beim IWF zu einer unerwünschten Internationalisierung des Schweizer Frankens führen und damit die währungspolitische Autonomie der Notenbank einschränken könne. Mit einem Beitritt der Schweiz zur Weltbank hätte die Schweiz weniger Probleme gehabt. Die Mitgliedschaft beim IWF ist allerdings Vorbedingung eines Beitritts zur Weltbankgruppe.

2Viele der früheren Einwände gegen den Beitritt der Schweiz zum IWF gelten heute nicht mehr. Die wirtschafts- und währungspolitischen Auflagen, die der IWF heute stellt, werden von der Schweiz als Gatt-Mitglied bereits eingehalten. Die Berichterstattung zu Händen der OECD, die die Schweiz als OECD-Mitglied leistet, entspricht den IWF-Ansprüchen. Der Schweizer Franken ist eine internationale Währung. Deshalb scheint der Beschluss des Bundesrates vom Mai 1990, beim IWF ein formales Beitrittsgesuch zu stellen, konsequent. Zumal mit dem Gesuch noch kein definitiver Beitrittentscheid gefallen ist. Sollten sich die schweizerischen Zielvorstellungen, insbesondere je einen Sitz in den Exekutivräten des IWF und der Weltbank zu erhalten, nicht verwirklichen, dann könnte der Bundesrat sein Beitrittsgesuch zurückziehen und an der bisherigen Form der Zusammenarbeit mit den Bretton-Woods-Institutionen festhalten.

3Die bisherige Zusammenarbeit der Schweiz mit den Bretton-Woods-Institutionen ist gekennzeichnet von dem schweizerischen Interesse an einer funktionierenden internationalen Wahrungsordnung, dem wechselseitigen Interesse von Kreditgeber und Kreditnehmer an der Finanzierung der weltweiten Wirtschaftsentwicklung und dem besonderen Interesse der Weltbank, sich des bisher günstigen schweizerischen Kapitalmarktes zu bedienen. Als Gegenleistung können sich schweizerische Unternehmungen an Projektausschreibungen beteiligen, die von der Weltbank finanziert werden. Auch arbeiten Schweizer in den internationalen Institutionen mit. Aufgrund der erheblichen finanziellen Leistungen ist die Schweiz als Nichtmitglied seit 1977 an der Jahresversammlung der Bretton-Woods-Institutionen als Beobachterin zugelassen.

4Im Zuge des Abbaus der weltweiten ideologischen Konfrontation ist es verständlich, dass Schweizer Politiker nicht länger abseits stehen wollen und die Gesellschaft der grossen Mehrheit der Bretton-Woods-Mitgliedsländer suchen. Der besondere Vorteil eines Beitritts der Schweiz, so behaupten die Beitrittbefürworter, läge darin, dass die Schweiz als Mitglied eine direkte Mitwirkung am Entscheidungsprozess erwärbe. Kenner der Institutionen weisen meines Erachtens zu recht darauf hin, dass die Schweiz ohne einen Sitz im Exekutivrat eher an Einfluss verlieren würde.

5Mit der Bestimmung der Höhe der Sonderziehungsrechte (SZR) wird auch über einen Sitz der Schweiz im Exekutivrat entschieden. Die Chancen für einen Sitz in den Exekutivräten des IWF und der Weltbank sind jedoch gering. Es scheint, dass die schweizerischen Erwartungen zu hoch angesetzt und entscheidende Fehler in den Verhandlungen gemacht wurden. Kompliziert wird ferner die beabsichtigte Bretton-Woods-Mitgliedschaft der Schweiz durch Art. VIII Abschnitt 2b des Bretton-Woods-Abkommens. Dieser Artikel erlaubt devisenrechtliche Eingriffe eines Mitgliedstaates in die privatrechtlichen Verträge eines anderen Mitgliedstaates. Welche Auswirkungen dieser Artikel im Falle eines Beitrittes der Schweiz hätte, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Banken befürchten jedoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit.

6Welche Zusatzkosten im Falle einer Mitgliedschaft anfallen, ist heute noch nicht detailliert auszumachen. Zur Zeit wird von einer Quote von etwa 1.3 Mrd SZR gesprochen, während sich die Schweiz an 2.1 Mrd SZR orientiert. Diese Quote wäre vergleichbar mit derjenigen von Belgien und Holland. Hinzu kämen bisher noch nicht definierte zusätzlich Kosten bei der Weltbankgruppe, so dass insgesamt beträchtliche finanzielle Leistungen für die Schweiz entstehen würden. Der Vergleich von Zusatzkosten und –nutzen fällt sicher negativ aus. Es macht allerdings wenig Sinn, allein mit Massstäben direkter Nutzenerwartung an die Frage der Mitgliedschaft in Internationalen Organisationen heranzugehen. Im Grunde geht es um die Frage einer Neuorientierung schweizerischer Aussenpolitik : Soll die Schweiz in den internationalen Beziehungen eine aktivere Rolle übernehmen (was mit Risiken verbunden ist) ; oder soll man weiterhin die neutrale Nische besetzt halten (auf die Gefahr hin, im gegenwärtigen Wandlungsprozess den Anschluss zu verpassen). Man kann hier mit guten Argumenten geteilter Meinung sein.

7Falls man sich aber für eine aktivere Rolle entscheiden sollte, so sind die Bretton-Woods-Institutionen sicherlich nicht das geeignetste Objekt und auch nicht das vordringlichste Problem der Schweiz. Die Schweiz befindet sich zur Zeit in schwierigen Verhandlungen mit der EG, die gegenüber der Beitrittsfrage der Bretton-Woods-Institution Priorität haben sollten. Der Zeitpunkt der Beitrittverhandlungen ist deshalb unglücklich gewählt. Zusätzliche Anfragen könnten den Souverän verwirren. Eine Volksabstimmung mit negativem Ausgang über das Beitrittsgesuch würde zweifellos die bisher gut eingespielte Zusammenarbeit erschweren. Unter diesen Umständen erscheint die Rücknahme des Beitrittsgesuchs das kleinere Übel.

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Zitierempfehlung

Papierversionen:

Peter Buomberger, „Soll die Schweiz den Bretton-Woods-Institutionen beitreten ?“Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik, 10 | 1991, 211-213.

Online-Version

Peter Buomberger, „Soll die Schweiz den Bretton-Woods-Institutionen beitreten ?“Schweizerisches Jahrbuch für Entwicklungspolitik [Online], 10 | 1991, Online erschienen am: 13 April 2013, abgerufen am 17 Februar 2025. URL: http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/sjep/1212; DOI: https://0-doi-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/10.4000/sjep.1212

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Autor

Peter Buomberger

Chefökonom SBG, Basel

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Urheberrechte

Der Text und alle anderen Elemente (Abbildungen, importierte Anhänge) sind „Alle Rechte vorbehalten“, sofern nicht anders angegeben.

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