1Seit 1977 schliesst die jährliche ERG-Rechnung mit einem Defizit, welches der Bund seit 1982 jeweils mit verzinsbaren Vorschüssen abdeckt. 1989 betrug das Defizit 228 Millionen Franken und der Bundesvorschuss 155 Millionen Franken ; kumuliert erreichte dieser 1989 die Summe von 1’774 Millionen Franken. Zur Sanierung der ERG schlägt der Bundesrat in einer Botschaft ans Parlament vor, künftig auf die Verzinsung der Währungsverluste (rund 40 Millionen Franken jährlich) zu verzichten. Der Ständerat ging über die Vorlage hinaus und beschloss die einmalige und definitive Abschreibung des 900-Millionen-FrankenDefizits aus der ERG-Rechnung, der Nationalrat beschloss hingegen, die 900 Millionen Franken Bundesvorschüsse in der Rechnung stehen zu lassen und lediglich, wie dies der Bundesrat in seiner Vorlage beantragte, auf die Zinsen für diese Bundesvorschüsse zu verzichten, was in der Differenzbereinigung auch so beschlossen wurde. Die ERG-Sanierung soll mit Entschuldungsmassnahmen gegenüber Entwicklungsländern verknüpft werden.
2Die ERG-Rechnung 1989 schliesst mit einem Defizit von 228 Millionen Franken (Vorjahr 142 Millionen Franken). Die Neugarantien erhöhten sich stark um 36 Prozent und erreichten den Betrag von 1710 Millionen Franken (1988 : 1’257 Millionen Franken). Wichtigster Grund für die Zunahme sind die intensiveren Geschäfte mit den Oststaaten, wo mit dem Beginn der Reformprozesse die wirtschaftlichen und politischen Risiken grosser eingeschätzt wurden. Um 50 Prozent markant rückläufig waren die Neu-Garantien für die ärmeren Entwicklungsländer in Afrika ; diese bestehen praktisch ausschliesslich nur noch aus kurzfristigen Deckungen und Mischkreditgeschäften.
3Stärkster Aktivposten in der Bilanz 1989 sind die Konsolidierungsguthaben im Betrag von 2’245,6 Millionen Franken (im Vorjahr 1’891,4). Grösste Ertragsposten sind die Zinseinnahmen auf diese Guthaben (144 Millionen Franken), die Gebühren (43 Millionen Franken) und die Rückerstattungen (12 Millionen Franken). Der grösste Aufwandposten sind die Wertberichtigungen in Höhe von 429 Millionen Franken. Die Bilanz 1989 zeigt eine Unterdeckung (Verlustvortrag) von 655 Millionen Franken. Die Zahlungsfähigkeit der ERG könnte nur dank einem weiteren Bundesvorschuss von 155 Millionen Franken aufrechterhalten werden. Das Gesamtengagement des Bundes stieg auf 1774 Millionen Franken. Mit diesen Rechnungsabschlüssen entfernt sich die ERG immer mehr von der vorgeschriebenen Eigenwirtschaftlichkeit und eine dringende Revision der ERG drängte sich auf.
Die ERG wurde im Jahre 1934 als Massnahme zur Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung gegründet und ist heute das wichtigste Instrument des Bundes zur Exportförderung. Die ERG deckt Risiken ab, welche weder vom Lieferanten noch vom Kunden beeinflusst und nicht privat versichert werden können. Ueber die einzelnen Leistungen entscheidet eine aus Bundesverwaltung und Privatwirtschaft paritätisch (je 3 Vertreter) zusammengesetzte Kommission ; die Arbeitnehmerverbände sowie die Hilfswerke sind in der Kommission nicht vertreten, was von dieser Seite seit Jahren kritisiert wird. Das Parlament überwies jedoch in der Septembersession 1990 anlässlich der Behandlung der Vorlage zur Sanierung der ERG ein Postulat, welches den Einsitz von Fachleuten aus den Hilfswerken und den Gewerkschaften verlangt. Seit der Gesetzesrevision von 1981 muss die ERG-Kommission bei Exporten in ärmere Entwicklungsländer auch die Grundsätze der schweizerischen Entwicklungspolitik berücksichtigen.
467,9 Prozent (Vorjahr 66,5) der Neugarantien betrafen Exporte in Entwicklungsländer. Markant rückläufig waren in absoluten Zahlen und anteilsmässig die ERG-versicherten Geschäfte mit der Gruppe der 67 ärmeren Länder (nach OECD-Klassifikation), deren Anteil 1989 nur noch 14,9 Prozent (22,7) der ERG Garantievergabe ausmachte. Dieser Rückgang konzentrierte sich auf die afrikanischen Länder südlich der Sahara, deren Anteil um ganze 10 Prozent zurück ging. Der rückläufige Trend von ERG-versicherten Geschäften mit den armen Ländern Afrikas zeichnet sich aufgrund der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation und der Schrumpfung noch zahlungskräftiger Märkte bereits seit einigen Jahren ab. Es werden lediglich noch kurzfristige Geschäfte und Mischkreditgeschäfte in dieser Region getätigt und ERG-versichert.
5Dafür steigerte sich der Anteil der ERG-versicherten Geschäfte mit Asien um 10 Prozent. (Vgl. Tabellen Nr. 11 und Nr. 12). Insbesondere wurden 1989 die Geschäfte mit China, Iran und Saudi-Arabien ausgeweitet. Asien macht auf gründ seiner expandierenden Märkte traditionsgemäss den Hauptanteil der ERG-Geschäfte aus. Der Anteil Lateinamerikas blieb die letzten zwei Jahre konstant bei 8,1 Prozent ; 1987 hatte er noch 24,3 Prozent ausgemacht. Es zeigt sich, dass die Schuldenkrise, deren Auswirkungen in Lateinamerika und in Afrika die wirtschaftliche Entwicklung am stärksten beeinträchtigt, ihren Nieder schlag unmittelbar auch in der ERG-Statistik findet. Der weitaus grösste Teil (85 Prozent) des ERG-Gesamtengagements gegenüber den 67 ärmeren Entwicklungsländern entfällt auf die „grossen Vier” dieser Gruppe, nämlich Aegypten, China, Indien und Indonesien.
Tabelle Nr. 11. ERG – Neugarantien nach Regionen
Quelle : ERG-Jahresberichte 1989 und 1988.
61989 leistete die ERG Schadenzahlungen in der Gesamthöhe von 174,9 Millionen Franken. Die höchsten Beträge wurden für Geschäfte mit Aegypten (53 Millionen Franken), Argentinien (46,5), Syrien (16), Polen (10,6) und Peru (10) ausbezahlt.
7Nach Branchen gegliedert machen Maschinenindustrie und Chemie den weitaus grössten Teil (95 Prozent) der ERG-Geschäfte aus. Der Anteil der Maschinenindustrie, der im Vorjahr von 67 auf 75 Prozent zugenommen hatte, bildete sich wieder auf 70 Prozent zurück. Der Anteil der chemischen Industrie, der 1988 gesunken war, nahm wieder zu und machte wie 1987 einen Anteil von 25 Prozent aus. Die restlichen 5 Prozent verteilen sich auf den Bau (2,8 Prozent), Textilien und Bekleidung (1,3), Ingenieurwesen (0,2) und Diverses (0,2).
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Tabelle Nr. 12. ERG-Neugarantien für ärmere Entwicklungsländer

1) Rückzahlungen, Erlass und Abschreibung alter Garantien grosser als Neugarantien.
Quelle : ERG-Jahresbericht 1990.
9Was die Kreditdauer betrifft, so machen die kurzfristigen Garantien (bis 1 Jahr) über die Hälfte (52 Prozent) aller Neugarantien aus. Der rückläufige Trend bei den langfristigen Neugarantien (5 Jahre und mehr) hält an. Diese machen noch gerade 21,2 Prozent aus. Der Anteil der mittelfristigen Garantien (1 bis 3 Jahre) stieg leicht von 11,7 auf 15,9 Prozent an.
10Ende 1989 bestanden mit 34 Ländern 84 bilaterale Umschuldungsabkommen. Die Guthaben der ERG aus diesen Vereinbarungen betragen 2’096 Millionen Franken. Die Exporteure sind mit weiteren 1’061 Millionen Franken an den Abkommen beteiligt. Gewährt ein Umschuldungsprotokoll erleichterte Zinskonditionen (siehe dazu Kapitel „Bilaterale Umschuldungen”), so gilt dies auch für den Anteil der Exporteure. Zu diesen Guthaben schreibt der Bundesrat in seiner ERG-Botschaft : „Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Entwicklungsländer … kann wohl kaum mit einer vollumfänglichen Begleichung dieser Schulden gerechnet werden ; dies um so weniger als in letzter Zeit aufgrund internationaler Entschuldungsinitiativen diese Länder Schuldendiensterleichterungen abwarten”. Die Zinseinnahmen auf den Umschuldungsguthaben (46 Millionen Franken) reichten auch 1989 – wie bereits 1988 – nicht mehr aus, um dem Bund die Zinsen auf seine Vorschüsse (68 Millionen Franken) zu bezahlen.
11Dies bedeutet, dass der Bund seine eigenen Zinseinnahmen teilweise durch neue Bundesvorschüsse finanzieren muss.
12Angesichts der anhaltend defizitären ERG-Rechnung entschloss sich der Bundesrat zu Massnahmen für die Sanierung der ERG. In seiner Botschaft ans Parlament beantragte er, die ERG-Rechnung wie folgt zu entlasten :
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„Der Bund erlässt der ERG die Zinsen auf Vorschüssen auf den Verlusten, welche der ERG aus Entschädigung für die Deckung von Währungsrisiken sowie den entsprechenden Zinskosten entstanden sind” (Art. 1, Entwurf Bundesbeschluss). Dieses Defizit macht inklusive aufgelaufene Zinsen inzwischen rund 900 Millionen Franken aus. Diese Schäden sind definitiv und nicht wieder einbringbar. Der Bundesrat schlägt eine über mehrere Jahre gestaffelte Abschreibung vor. In der Vernehmlassung hatten sich die bürgerlichen Parteien, die Banken und Wirtschaftsverbände für eine sofortige Abschreibung des 900-Millionen-Franken-Defizits eingesetzt. Der schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), die SP und die Hilfswerke ihrerseits hatten sich gegen die Sozialisierung der ERG-Verluste ausgesprochen, mit der Begründung, die Begünstigten der ERG (die Exportwirtschaft) sollten die Verluste selber abtragen. Sie drohten mit dem Referendum gegen die Vorlage. Der SGB schlug vor, der Bund solle das Guthaben zinsfrei stehen lassen oder aber während mehreren Jahren einen Zuschlag auf der direkten Bundessteuer für juristische Personen erheben und mit diesem Steuerertrag das Defizit abtragen.
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„Der Bund erlässt der ERG Vorschüsse im Ausmass der Konsolidierungsgut haben, welche die ERG ihm abtritt” (Art. 2, Entwurf Bundesbeschluss). Die Verknüpfung der ERG-Sanierung mit Entschuldungsmassnahmen gegen über Entwicklungsländern war von entwicklungspolitischer Seite und von der SP zur Bedingung gemacht worden, ansonsten von dieser Seite das Referendum gegen die ERG-Vorlage ergriffen worden wäre. So wie der Bund Schulden der ERG erlasse, so solle die ERG auch Schulden von Entwicklungsländern erlassen. Die ERG hält Guthaben im Umfang von rund 2,2 Milliarden Franken gegenüber verschuldeten Entwicklungsländern. FDP, CVP und SVP sprachen sich gegen eine weitere Verbindung von ERG und Entwicklungshilfe aus.
13Die Verwirklichung von Entschuldungsaktionen, welche die ERG betreffen, wird nicht in der ERG-Vorlage konkretisiert, sondern in der Botschaft zum Rahmenkredit über die Weiterführung der Finanzierung von wirtschafts- und handelspolitischen Massnahmen und in der Botschaft über den Abschluss von Schuldenkonsolidierungsmassnahmen. Der Bundesrat wird ermächtigt, auch weiterhin ERG-Forderungen in die bilateralen Umschuldungen aufzunehmen. Der Bundesrat schlägt vor, für die Durchführung und Unterstützung von Entschuldungsaktionen 100 Millionen Franken des erwähnten Rahmenkredits bereitzustellen. Im Botschaftsentwurf zum Rahmenkredit ist der gänzliche oder teilweise Verzicht auf ERG-Forderungen gegenüber den ärmeren Entwicklungsländern vorgesehen. Der ERG sollen im Ausmass der Forderungen, die sie zur Durchführung dieser Aktionen an den Bund abtritt, Bundesvorschüsse erlassen werden. Die Selbstbehaltsanteile der Exporteure werden zu diskontierten Marktwerten mit Mitteln aus dem Entschuldungsfonds von 100 Millionen Franken zurückgekauft.
14Bei der parlamentarischen Behandlung der ERG-Vorlage ging der Ständerat über den Antrag des Bundesrates hinaus und beschloss mit 25 zu 5 Stimmen eine einmalige Abschreibung der gesamten Währungsverluste von 900 Millionen Franken (Juni 1990). In einem ersten Vernehmlassungsentwurf hatte der Bundesrat diese einmalige Abschreibung zur Diskussion gestellt, kam aufgrund der verschiedenen Stellungnahmen – insbesondere der Referendumsdrohung – auf die moderatere Variante des Verzichts der Zinsen auf die Bundesvorschüsse (rund 40 Millionen Franken jährlich) zurück. Ständerat Piller (SP, FR) forderte Einsitz in die ERG-Kommission für Vertreter von Entwicklungsorganisationen und den Gewerkschaften, was Bundesrat Delamuraz bei der parlamentarischen Behandlung erstmals indirekt auch zusicherte.
15Der Nationalrat behandelte die Vorlage in der Septembersession 1990. Seine vorberatende Kommission (die Wirtschaftskommission) beantragte dem Plenum, in der Frage des Bundesvorschusses von 900 Millionen Franken den Vorschlag des Bundesrates anzunehmen und nicht dem Ständerat zu folgen. Die Kommission beantragte weiter die Ueberweisung eines Postulates, wonach die ERG-Kommission um Fachleute von Seiten der Hilfswerke und der Arbeitnehmerverbände zu ergänzen sei. Der Nationalrat folgte mehrheitlich seiner vorberatenden Kommission und nahm die Vorlage des Bundesrates an. Im Differenzbereinigungsverfahren schloss sich der Ständerat dem Nationalrat an, womit der Bundesvorschuss nicht abgeschrieben wird.
16Die globale Prüfung des Allgemeinen Präferenzsystems findet im Rahmen der UNCTAD statt. In der Berichtsperiode wurden Empfehlungen für jene Länder erstellt, die eine Verlängerung ihrer Zollpräferenzschemen für Anfang der 90er Jahre vorsehen. Zu ihnen gehört auch die Schweiz. Der Ausnutzungsgrad der Zollpräferenzen mit der Schweiz ist eher gering und die Einsparungen für die Entwicklungsländer sind bescheiden. Sie können 1989 bei Importen mit Zollbegünstigung im Wert von 4,9 Milliarden Franken auf weniger als 100 Millionen Franken geschätzt werden.
17Das 1968 anlässlich der zweiten Weltkonferenz für Handel und Entwicklung, UNCTAD II, geschaffene Allgemeine Präferenzsystem (APS) erlaubt es den Industrieländern, auf die Einfuhren einer Reihe von Produkten aus den Entwicklungsländern Vorzugstarife einzuräumen, welche auf der Grundlage der Unabhängigkeit, der Nichtdiskriminierung und der Nichtreziprozität gewährt werden. Die fehlende Verpflichtung zur Gegenseitigkeit stellt dabei eine Abweichung der vom GATT 1971 angenommenen Meistbegünstigungsklausel dar. Ziel dieser Vorzugsbehandlung ist es, die Ausfuhren und das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer zu fördern.
18Der UNCTAD-Sonderausschuss für Zollpräferenzen kann an die Geberländer, die ihre Zollpräferenzschemen regelmässig verlängern und anpassen, Empfehlungen richten, um die Palette der betroffenen Produkte und die Liste der Empfängerländer festzulegen. Derzeit sind 17 verschiedene Zollpräferenzschemen in Kraft, darunter ein System für die gesamte Europäische Gemeinschaft.
19Die Schweiz hat 1972 ein Zollpräferenzschema eingeführt, das 1981 ein erstes Mal verlängert wurde. Es soll im März 1992 ein weiteres Mal verlängert werden, und die eidgenössischen Rate werden sich 1991 mit dieser Frage befassen.
20In den letzten Jahren haben die unter die zolltarifliche Vorzugsbehandlung fallenden Einfuhren 50 bis 65 Prozent der Importe der Schweiz aus den Entwicklungsländern ausgemacht. Die effektive Ausnutzung der gewährten Zollpräferenzen lag seit 1983 zwischen 35 und 45 Prozent. Der Ausnutzungsgrad ist das Verhältnis zwischen den tatsächlichen zollbegünstigten Einfuhren und den unter die Zollpräferenzschemen fallenden Einfuhren.
Merkmale des schweizerischen Zollpräferenzschemas
Die Schweiz räumt allen Entwicklungsländern, ausser Taiwan, Zollpräferenzen ein, ferner den Ländern Bulgarien, China, Israel und Rumänien. Seit dem 1. Januar 1991 erhalten auch die Mongolei und Namibien Zollpräferenzen.
Die Schweiz gewährt auf die Einfuhr gewisser landwirtschaftlicher und tropischer Erzeugnisse Präferenzen (darunter bestimmte Fischarten und Früchte, Kaffee, Vanille, Reis, Zucker, Kakao usw.). Auf alle Industriegüter (mit Ausnahme von Kohlenwasserstoffen und Automobilen) werden Vorzugstarife, und zwar Nulltarife bzw. Zollsenkungen von 50 Prozent oder 75 Prozent (Rohaluminium, Bekleidung, Textilien, Schuhe usw.) angewandt. Den am wenigsten entwickelten Ländern werden auf spezifische Agrarprodukte zusätzliche Präferenzspannen bzw. völlige Zollfreiheit eingeräumt.
Gewissen Ländern werden einige Präferenzen nicht gewährt. So zum Beispiel werden von der Schweiz auf Textilien aus Bulgarien, Hongkong, Makao, Nord- und Südkorea und Rumänien keine Zollpräferenzen angewandt.
2181 Mitgliedsländer des UNCTAD-Sonderausschusses für Zollpräferenzen traten vom 14. bis 22. Mai 1990 zusammen, um im Hinblick auf die für Anfang der 90er Jahre geplante Verlängerung der Zollpräferenzschemen eine globale Prüfung der Funktionsweise des Allgemeinen Präferenzsystems in den 80er Jahren vorzunehmen.
22Nach Untersuchungen des UNCTAD-Sekretariats hat das APS den Entwicklungsländern gewisse (wenngleich bescheidene) Handelsvorteile verschafft, jedoch nicht die gewünschte Auswirkung auf die Industrialisierung dieser Länder gehabt.
23Der relativ niedrige Ausnutzungsgrad der Zollpräferenzen (35 bis 45 Prozent im Falle der Schweiz) lässt sich durch den geringen Einfluss der gewährten Präferenzen auf die Zolltarife bestimmter Erzeugnisse erklären, für die demzufolge keine Zollpräferenzen beantragt werden (Beispiel der Edelmetalle in der Schweiz), ferner durch die mangelnde Transparenz und die komplexe Funktionsweise des Nachweises betreffend die Herkunft der Produkte (Ursprungsregeln).
24In den meisten Ländern, darunter die Schweiz, hat sich die Palette der unter das Zollpräferenzsystem fallenden Produkte in den 80er Jahren erweitert. Die immer häufigere Anwendung nicht-tarifärer Schutzmassnahmen sowie die Entwicklung verschiedener Restriktionen haben den Zugang zur Vorzugsbehandlung jedoch eingeschränkt. Die sogenannten „Graduationsklauseln” gestatten es den Präferenzgeberländern, gewisse Entwicklungsländer von allen Vorteilen des Allgemeinen Zollpräferenzsystems auszuschliessen. Die Vorzugsbehandlung wird zuweilen für gewisse Produkte aus Ländern, die als wettbewerbsfähig angesehen werden, zurückgezogen.
25In den 80er Jahren wurden mehrere Arten von Restriktionsmassnahmen eingeführt. So haben die Vereinigten Staaten 1988 eine Reihe von als konkurrenzfähig betrachteten asiatischen Staaten (Hongkong, Südkorea, Singapur und Taiwan) von ihrer Liste der Empfängerländer gestrichen. Die Europäische Gemeinschaft wendet ihrerseits eine „Differenziationspolitik” an, indem sie gewisse Produkte, die von als „äusserst wettbewerbsfähig” angesehenen Empfängerländern ausgeführt werden, vom APS ausschliesst. Weitere Beschränkungsmassnahmen der Gemeinschaft umfassen die Festsetzung jährlicher Gesamtbeträge zu reduzierten Zollsätzen oder Nullzöllen bzw. die Senkung dieser Zölle, den Entzug des Präferenzschemas für diejenigen Länder, deren BSP pro Einwohner einen gewissen Prozentsatz des BSP des Geberlandes erreicht, ferner den Ausschluss eines Erzeugnisses von der Vorzugsbehandlung, dessen Ausfuhren in das betreffende Industrieland einen gewissen Wert oder einen bestimmten Prozentsatz der Gesamteinfuhren dieses Erzeugnisses übersteigt.
26Zum anderen können die Präferenzgeberländer die Zollpräferenzen im Rahmen der bestehenden Schutzmechanismen abschaffen, um ihre nationalen Industrien zu schützen, sofern die unter das Präferenzschema fallenden Einfuhren für diese Industriezweige einen schwerwiegenden Nachteil mit sich bringen können.
27Die Schweiz hat die Schutzklauseln und Graduationsbestimmungen nie angewandt.
281989 beliefen sich die Einfuhren aus Entwicklungsländern – wie Tabelle Nr. 13 zeigt – insgesamt auf 6,98 Milliarden Franken, somit rund 10 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anteil der Importe aus Entwicklungsländern an den Gesamtimporten sank leicht und blieb mit 7,34 Prozent gering. Importe in der Höhe von 4,9 Milliarden Franken hatten zollbegünstigt importiert werden können ; davon Gebrauch gemacht haben lediglich 37 Prozent oder Importe im Wert von rund 1,8 Milliarden Franken. Insgesamt kann der Betrag der 1989 tatsächlich realisierten Ersparnis für die Entwicklungsländer auf rund 96 Millionen Franken geschätzt werden. Diese Schätzung beruht auf der Annahme, dass die effektive Begünstigungsmarge rund 2 % des zollbegünstigten Importbetrages ausmacht (1989 : 2 Prozent von 4,9 Milliarden Franken). Es ist somit festzuhalten, dass die Ermässigung zahlenmässig relativ unbedeutend ist.
29Aus der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder wurden 1989 für 108 Millionen Franken Einfuhren in die Schweiz getätigt ; davon wurden 48 Millionen Franken zollbegünstigt oder zollbefreit importiert.
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Tabelle Nr. 13. Einfuhren der Schweiz und Zollpräferenzen 1987-1989

Quellen :BAWI
31Die Schweiz führt regelmässig Gespräche über die Wirtschaftsbeziehungen mit einzelnen Entwicklungsländern. Dies in Form von gegenseitigen Besuchen von Vertretern aus Wirtschaft und Verwaltung. Oft haben die Gespräche auch Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit zum Inhalt. Im folgenden geben wir kurz die Inhalte der wichtigsten Wirtschaftsgespräche wieder, welche im Zeitraum unserer Berichtsperiode (Juli 1989 – September 1990) stattgefunden haben.
32Im Oktober 1989 weilte Bundesrat Felber zu einem offiziellen Besuch in Mexiko. Anlass war die Regionalkonferenz der Schweizer Botschafter Nord- und Lateinamerikas, welche in Mexiko-City stattfand. Themen der Regionalkonferenz waren : die ökonomische und finanzielle Lage der einzelnen Länder, die Schuldenproblematik, die Möglichkeiten der Entwicklungszusammenarbeit, Demokratisierungsprozesse, Menschenrechte und Drogenproblematik. Nach Meinung von Delegationsleiter Bundesrat Felber solle die Schweiz in Zukunft in Lateinamerika politisch und wirtschaftlich eine aktivere Rolle spielen. Mexiko zeigte Interesse daran, die Handelsbeziehungen mit der Schweiz auszubauen ; insbesondere wurde eine Verstärkung der Schweizer Investitionen in Mexiko gewünscht. Die Schweiz ist der fünftwichtigste ausländische Investor in Mexiko. Seit der neoliberalen Wirtschaftspolitik der Regierung Salinas sind die ausländischen Investitionen in Mexiko gestiegen, weil heute Ausländer auch de jure eine Mehrheit an einem mexikanischen Unternehmen halten dürfen. Der Handel mit Mexiko sah 1989 wie folgt aus : Die Schweiz exportierte Waren im Wert von 391 Millionen Franken und importierte mexikanische Erzeugnisse im Wert von 62 Millionen Franken. Mexiko ist mit über 100 Milliarden Dollar Auslandverschuldung nach Brasilien das höchstverschuldete Land. Die Liberalisierung der Wirtschaft unter Salinas mit weitgehenden Privatisierungen führte in weiten Kreisen der Bevölkerung zu einer Verschlechterung ihrer Versorgungslage.
- 1 Für nähere Angaben zu den Investitionsschutzabkommen sowie den Doppelbesteuerungsabkommen siehe e (...)
33Anlässlich eines Arbeitsbesuches des mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari in der Schweiz im Februar 1990 wurden erste Gespräche über den möglichen Abschluss eines Wirtschaftsrahmenabkommens geführt. Diese sollte nebst dem Investitionsschutz auch ein Doppelbesteuerungsabkommen enthalten. Bis anhin liess die nationale mexikanische Gesetzgebung den Abschluss von Investitionsschutzabkommen zur Sicherung des freien Gewinntransfers und einer Entschädigung bei Verstaatlichungen nicht zu. Investitionsschutzabkommen beinhalten u.a. eine externe schiedsgerichtliche Regelung im Konfliktfall, was nach der sog. Calvo-Klausel für die meisten Länder Lateinamerikas ausgeschlossen ist1. Ueber ein mögliches Doppelbesteuerungsabkommen führten technische Experten im Januar 1990 erste Gespräche. Mexiko wünscht die Aufnahme einer gegenseitigen Auskunftspflicht bei Steuerdelikten, insbesondere in der Drogenkriminalität und bei anderen Formen des profitorientierten internationalen Verbrechens. Die Schweiz betont in diesem Zusammenhang, dass eine generelle Meldepflicht im Fiskalbereich nicht in Betracht falle, da in der Schweiz nur der qualifizierte Steuerbetrug strafrechtlich verfolgt werde.
- 2 Tages-Anzeiger, 9.10.1989, 3.2.und 5.2.1990 und NZZ, 5.2.1990.
34Zur Sprache kam auch ein Abkommen zur Bekämpfung des Drogenhandels, welches auch Mittel zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Zusammenhang mit Drogengeschäften enthalten soll2.
35Im November 1989 weilte Staatssekretär Jacobi zu einem Arbeitsbesuch in Jugoslawien. Das sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindliche Land möchte seine Beziehungen mit den westlichen Industrieländern ausbauen (Jugoslawien gilt nach UNO-Klassifikation als Entwicklungsland mit höherem mittlerem Einkommen). Die Schweiz setzte sich dafür ein, Jugoslawien mit einem Entwicklungsfonds von 100 Millionen Dollar zu unterstützen3.
36Mit dem Reformprozess in den ehemaligen Ländern des Ostblocks haben sich die Wirtschaftskontakte der Schweiz mit diesen Ländern stark intensiviert.
37Nebst den Gesprächen über den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen wurde auch die Form der einzuschlagenden Entwicklungszusammenarbeit mit den osteuropäischen Ländern besprochen. (Vgl. dazu den Beitrag in diesem Jahrbuch von A. Melzer über die schweizerische Hilfe an Osteuropa).
38Im März 1990 führte eine Schweizer Delegation anlässlich einer Reise unter der Leitung von Staatssekretär Jacobi Wirtschaftsgespräche in den Ländern Uruguay, Argentinien, Chile und Brasilien.
39Uruguay : Die Schweiz und Uruguay hatten 1988 ein Investitionsschutzabkommen geschlossen, das noch von den Parlamenten ratifiziert werden muss. Zur Sprache kam die Oeffnung der Wirtschaftspolitik des Landes Richtung Privatsektor, was u.a. einen Abbau des Staatsmonopols im Versicherungswesen zur Folge haben wird – ein Sektor, den die Schweizer Versicherungswirtschaft interessiert, sind doch zahlreiche schweizerische Versicherungsgesellschaften international tätig.
- 4 NZZ, 9. und 10./11.3.1990.
40Argentinien : Vorbereitungen zu einem Investitionsschutzabkommen Schweiz-Argentinien – es wäre das erste bilaterale Investitionsschutzabkommen Argentiniens – traf die gleiche Delegation bei ihrem Wirtschaftsbesuch in Argentinien. Entsprechende Abkommen wurden bereits mit folgenden lateinamerikanischen Ländern geschlossen : Bolivien (1987 unterzeichnet, noch nicht in Kraft), Ekuador (1969), Costa Rica (1966) und Panama (1985)4.
41Chile : Die Delegation nahm an der Einsetzung der neuen Regierung teil, welche die Diktatur Pinochet ablöst.
42Brasilien : Brasilien ist der bedeutendste lateinamerikanische Handelspartner der Schweiz. Die Schweiz ist der drittwichtigste Investor im mit 114 Milliarden Dollar am höchsten verschuldeten Land. Brasilien kennt keine Begrenzung für Beteiligungen von ausländischem Kapital an brasilianischen Unternehmen.
- 5 NZZ und Tages-Anzeiger, 9.7.1990, NZZ, 4./5.8.1990.
43Anlässlich einer weiteren Reise nach Brasilien unter der Leitung von Bundesrat Delamuraz im Juli 1990 wurden Gespräche über den Abschluss eines Investitionsschutz- und eines Doppelbesteuerungabkommens aufgenommen. Als wichtige Voraussetzung zur Verstärkung schweizerischer Investitionen in Brasilien nannte Delamuraz den Schutz des geistigen Eigentums (schweizerischer Patente). Im August 1990 warb Bundesrat Stich anlässlich einer Reise in Chile, Brasilien und Mexiko um die Unterstützung dieser Länder bei der schweizerischen Kandidatur für einen Beitritt zu IWF und Weltbank5.
44Staatsekretär Klaus Jacobi führte im August 1990 Wirtschaftsgespräche in Thailand und in Malaysia. In Thailand traf die Delegation erste Vorabklärungen für den Abschluss eines Investitionsschutzabkommens. Thailand zeigte nach anfänglichem Zögern Interesse zum Abschluss eines solchen Abkommens mit der Schweiz6.
451989 hat der Export von schweizerischen) Kriegsmaterial allgemein und in die Entwicklungsländer besonders markant abgenommen. Andererseits intensivierte sich in der Oeffentlichkeit die Diskussion über die Bewilligungspraxis für Kriegsmaterialexporte in Spannungsgebiete und in der Presse häuften sich Berichte über Umgehungsgeschäfte. Die GPK des Nationalrates verfasste nach einer Prüfung der Anwendung des Kriegsmaterialgesetzes einen Bericht mit Empfehlungen an den Bundesrat, die eine restriktivere Bewilligunspraxis zur Folge hatten. Unbestritten war, dass in Zukunft bei Waffenexporten die Menschenrechte stärker gewichtet werden sollen.
46Im Jahre 1989 sind die Kriegsmaterialexporte der Schweiz zurückgegangen.
- 7 Seit 1975 analysiert und kommentiert das Institut für Sozialethik des Schweizerischen Evangelisch (...)
471988 betrugen sie 504 Millionen Franken, 1989 noch 390 Millionen Franken. In diesen Zahlen nicht inbegriffen sind Waffengeschäfte aus Lizenzvergaben, Waffengeschäfte, welche über Tochtergesellschatten im Ausland abgewickelt werden und ziviles Material mit kriegstechnischer Bedeutung (sog. dual-use-Material)7.
48Die Lieferungen nach Industrieländern blieben wertmässig praktisch unverändert ; mit 257 Millionen Franken machten sie 1989 zwei Drittel der Gesamtlieferungen aus. Die Lieferungen in Länder der Dritten Welt haben in absoluten und relativen Werten stark abgenommen. Die Bezüge sanken um 45 Prozent auf rund 133 Millionen Franken, was noch einen Drittel der Gesamtexporte ausmacht.
49Die Lieferungen in einzelne Länder der Gruppe der ärmsten Entwicklungsländer (LLDC nach OECD-Definition) sind unbedeutend und betrugen maximal einige Tausend Franken pro Land. Die zweitärmste Gruppe (LIC) verzeichnet einen Rückgang auf rund 30 Prozent des Wertes von 1988, der auf die praktisch versiegten Lieferungen nach Pakistan zurückzuführen ist. Bei der Ländergruppe mit mittlerem Einkommen hat Nigeria seine Bezüge praktisch eingestellt – in den Vorjahren war Nigeria eines der Hauptabnehmerländer. Die Türkei bezog 1989 gegenüber dem Vorjahr wieder mehr Kriegsmaterial. Zugenommen haben die Lieferungen an die Entwicklungsländer mit höherem Einkommen. Auffallend sind die Zunahmen bei Malaysia und Singapur, auffallend auch der Rückgang der Bezüge Saudi-Arabiens (Vgl. Tabelle Nr. 14). Malaysia war 1989 mit 54 Millionen Franken nach Kanada (74 Millionen Franken) der Hauptabnehmer schweizerischen Kriegsmaterials.
50In seiner Antwort auf eine Interpellation Ziegler (Sept. 1989) hält der Bundesrat fest, dass dem schweizerischen Kriegsmaterialgesetz (KMG) vom 30. Juni 1972 nur Kriegsmaterial unterliegt, das mit dem schweizerischen Territorium in physischen Kontakt gelangt, d.h. die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegsmaterial. Es erfasst somit die Vermittlungs- und Lizenzgeschäfte nicht.
51Die Grüne Partei der Schweiz forderte den Bundesrat auf, künftig Waffenexporte in Länder der Dritten Welt ganz zu verbieten.
Tabelle Nr. 14. Schweizerische Kriegsmaterialexporte 1988 und 1989
1) In den Berechnungen wird die Ländergliederung der OECD/DAC verwendet :
Quelle :EMD-Oberzolldirektion, Monatsstatistik des schweizerischen Aussenhandels, Bern 1989 ; Berechnungen und Zusammenstellung : Institut für Sozialethik des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, Bern.
52Angesichts der anhaltenden Kritik in Presse und Oeffentlichkeit an der Bewilligungspraxis schweizerischer Waffenausfuhr in Spannungsgebiete nahm die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates die Waffenausfuhrpolitik unter die Lupe. In ihrem Bericht richtet die GPK verschiedene Empfehlungen an den Bundesrat, die – wurden sie angewandt – eine restriktivere Handhabung des Kriegsmaterialgesetzes zur Folge hatten. Die GPK richtet an den Bundesrat folgende Empfehlungen :
-
Konkretisierung des Begriffs der Spannungsgebiete :Der Begriff könne vom Bundesrat nicht in völlig ungebundenem politischem Ermessen immer wieder von Fall zu Fall neu umschrieben werden. Der Bundesrat habe vielmehr die Gebote der Rechtsgleichheit und Verhältnismässigkeit zu wahren. Insbesondere vertritt die GPK die Meinung, dass „Selbstverteidigung” nicht als Legitimationsgrund für Waffenexporte in Spannungsgebiete berücksichtigt werden dürfe. Der Bundesrat beharrt in seiner Antwort auf einen breiten Ermessensspielraum bei der Beurteilung, ob in einer Gegend gefährliche Spannungen herrschen oder nicht. Das Kriterium der „legitimen Selbstverteidigung” will der Bundesrat auch weiterhin – zusammen mit anderen Kriterien – als ein Element in die Beurteilung über Exportbewilligungen einbeziehen.
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Selbständige Prüfung der Kriterien der Menschenwürde und der Entwicklungshilfe :Die GPK ist der Ansicht, dass die Verletzung dieser Kriterien ein selbständiges Hindernis für die Exportbewilligung bildet. Der Bundesrat erklärt sich in seiner Antwort bereit, diesen Kriterien „die nötige Beachtung” zu schenken.
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Information und Oeffentlichkeit :Die Information über die Ausfuhr von Kriegsmaterial soll verbessert werden. Insbesondere sollen die Endbestimmungsländer bekanntgegeben werden. Der Bundesrat antwortet, er „möchte der Statistik über die Kriegsmaterialausfuhr mehr Transparenz verleihen… Es ist hingegen nicht möglich, Angaben über die betroffenen Unternehmungen oder die Art des exportierten Materials zu machen, ohne das Geschäftsgeheimnis zu verletzen”.
53Im weiteren nahm der Bundesrat die zwei von der GPK formulierten Postulate an : Ein Postulat über die Bekämpfung des organisierten Verbrechens (Waffenhandel, Drogenhandel, Geldwäscherei) und ein Postulat über die Vermittlungsgeschäfte und die Kriegstechnologie. Der Geltungsbereich des KMG soll auf die Vermittlungsgeschäfte sowie die Lizenzverträge und die Uebertragung von Rüstungstechnologie ausgedehnt werden. Damit soll eine häufig genutzte Umgehungsmöglichkeit des KMG ausgeschaltet werden.
54Die GPK fordert den Bundesrat zudem auf, Exportgesuche vermehrt selber zu entscheiden und diese nicht dem Militärdepartement allein zu überlassen.
55Der GPK-Bericht wurde in der Frühjahrssession 1990 im Nationalrat behandelt, der die Postulate unterstützte und an den Bundesrat überwies. Ebenfalls als Postulat überwiesen wurde eine Motion der SP betreffend die Ausweitung des Geltungsbereiches des KMG auf Tochterfirmen schweizerischer Produktions- und Handelsgesellschaften und auf die Finanzierungsgeschäfte im Waffenhandel. Nicht überwiesen wurde eine Initiative (Longet, SP/GE), die verlangte, jegliches zivile Material Kriegsmaterial gleichzustellen, sobald Grund zur Annahme besteht, dass es militärischen Zwecken dienen wird. Somit sind die umstrittenen PC-Flugzeuge nach wie vor nicht dem KMG unterstellt.
56Im Februar 1990 sprach sich der Bundesrat für die Schaffung einer Spezialgesetzgebung als Basis für eine Ausfuhrkontrolle von Produktionsanlagen für chemische Kampfmittel aus und beauftragte die Verwaltung, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Die Schweizerische Gesellschaft chemischer Industrien (Societe suisse des industries chimiques, SSIC) führt eine Liste mit 50 Produkten, für deren Vertrieb sie ihren angeschlossen Betrieben zu „grosser Vorsicht” rät, weil diese Produkte auch als Kampfmittel zum Einsatz kommen können. Seit 1987 kontrolliert das EMD den Export chemischer Mittel ; nur 12 der erwähnten 50 Produkte sind bewilligungspflichtig. In der Presse wurde wiederholt die Lieferung erwähnter chemischer Mittel in die Krieg führenden Länder Iran und Irak kritisiert (NZZ, 1.2.1990, Le Courrier, 17./18.3.1990).
57In der Presse wurden im Berichtsjahr eine ganze Reihe von skandalösen Waffenlieferungen oder Lieferungen von Maschinen und Ersatzteilen mit kriegstechnischer Bedeutung sowie die Vergabe von Lizenzen zur Waffenherstellung kritisiert. In der Lizenzvergabe sieht eine kritische Oeffentlichkeit eine klare Umgehung des Kriegsmaterialgesetzes. Nachfolgend listen wir einige dieser Vorwürfe auf, wie sie die Presse im Berichtsjahr an Parlament und Behörden richtete, um einen Eindruck von der in der Oeffentlichkeit breit diskutierten und kritisierten Ausfuhrpraxis schweizerischer Waffen und Waffentechnologie zu vermitteln.
- 8 Es handelt sich um die Firmen Schmiedemeccanica SA in Biasca, die Präzisionsmaschinenfabrik Schau (...)
58Irak/Iran : Irak und Iran gelten als gefährliches Spannungsgebiet, in das kein schweizerisches Kriegsmaterial geliefert werden darf. Dennoch ermittelt die Bundesanwaltschaft in der Berichtsperiode gegen verschiedene Schweizer Firmen8, die verdächtigt werden, Atomwaffen-Teile oder Werkzeugteile, die auch der Herstellung von Urananreicherung und Waffen dienen können, in die Länder Irak und Iran geliefert zu haben. Es handelt sich um sog. dual-use-Gegenstände, die keiner Bewilligungspflicht unterstehen. Schweizerische Aluprofile beispielsweise wurden nachweisbar als Granatenbestandteile eingesetzt. Gemäss der Verordnung zum KMG gelten als Waffen nur Gegenstände, „die ausschliesslich als Bestandteile von Kriegsmaterial hergestellt werden und in der gleichen Ausführung keine zivile Verwendung finden”, was die dual-use-Gegenstände ausschliesst (Tages-Anzeiger, 11.8.1990).
59Die Pilatuswerke in Stans verkauften „völlig legal” 22 PC-9-Flugzeuge an den Irak, die als Trainingsflugzeuge bestellt auch als Kampfflugzeuge eingesetzt werden können (Tages-Anzeiger, 11.8.1990).
60 Irak besetzte nach dem Krieg gegen Iran im August 1990 Kuwait. In der Folge verhängte der Bundesrat einen Wirtschaftsboykott über den Irak, der auch die Lieferung von Waffen, Technologien und Werkzeugmaschinen mit kriegstechnischer Bedeutung aus einem Drittland nach dem Irak verhindern soll (NZZ,10.8.1990).
61Golfregion : Saudiarabien galt trotz der Besetzung Kuwaits durch die irakischen Truppen bis November 1990 nicht als Spannungsgebiet. Im September 1990 könnte der Schweizer Rüstungskonzern Oerlikon-Bührle vorerst weiter Waffen nach Saudiarabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate liefern, bis der Bundesrat im November 1990 ein Waffenembargo für die Länder der Golfregion (ausgenommen die Türkei) erliess (NZZ, 24.9.1990 und Tages-Anzeiger, 15.11.1990).
62Türkei : Die Türkei wird wegen Menschenrechtsverletzungen im Bürgerkrieg gegen die kurdische Minderheit von verschiedenen Organisationen und vom Europarat kritisiert. In einem Brief an alle Mitgliedstaaten des Europarates kündigte die türkische Regierung im September 1990 an, dass die Menschenrechtskonvention in mehreren Provinzen im Südosten des Landes aus „Gründen der nationalen Sicherheit” nicht mehr angewendet werde (Tages-Anzeiger, 20.9.1990). Die Arbeitsgemeinschaft für Rüstungskontrolle und ein Waffenausfuhrverbot (ARW) forderte im Februar 1990 den Bundesrat auf, keine Exportbewilligungen für Lieferungen von Kriegsmaterial in die Türkei mehr zu erteilen. Die Türkei ist ein wichtiger Abnehmer von schweizerischem Kriegsmaterial und stand in den Jahren 1985 und 1986 sogar an erster Abnehmerstelle. Seither liefern Schweizer Firmen immer häufiger Rüstungstechnologien wie Lizenzen, Werkzeugmaschinen, Knowhow und auch Kapital, kritisiert die ARW. Der Bundesrat kündigte im August 1990 einen Grundsatzentscheid für das weitere Vorgehen gegenüber der Türkei an (Tages-Anzeiger, 10.8.1990).
63Eine kurdische Gruppe forderte im Juni 1990 den Bundesrat in einer Petition auf, keine Bewilligungen mehr zu erteilen für die Ausfuhr von Kriegsmaterial in die Türkei und gegen das Land wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen, Solange die Regierung gegen die kurdische Minderheit kriegerisch vorgehe. (Tages-Anzeiger, 26.6.1990). Weitaus der grösste Teil der Asylbewerber (1989 waren es 38,5 Prozent) in der Schweiz sind Türkinnen und Türken. (Vgl. das Kapitel „Asylpolitik” in diesem Jahrbuch).
64Angola : Die in der Schweiz (Pilatuswerke in Stans) produzierten Kleinflugzeuge PC-7 und PC-9 kommen im vom Bürgerkrieg geschüttelten Angola seit 1984 mit Waffen bestückt – dokumentiert wird auch ein Einsatz als Trager von Napalmbomben – zum Einsatz. Sie dienen auch als Aufklärungsflugzeuge (Le Courrier, 3.4.1990).
65Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen haben zum Ziel, den Anreiz für ausländische Investitionen und gegenseitigen Handel zu erhöhen, indem wirtschaftsfreundliche Abmachungen getroffen werden, welche die Investitionssicherheit erhöhen sollen. Die ersten solchen Abkommen mit Entwicklungsländern schloss die Schweiz anfangs der sechziger Jahre. Inzwischen sind 38 Investitionsschutzabkommen mit Entwicklungsländern in Kraft und 9 von den insgesamt 33 Doppelbesteuerungsabkommen wurden mit Entwicklungsländern geschlossen.
66Investitionsschutzabkommen regeln die Stellung ausländischer Investoren und sollen das Investitionsklima und -vertrauen zwischen zwei Ländern verbessern. Der drastische Rückgang der Investitionsflüsse nach der Dritten Welt bewirke gegenwärtig eine vermehrte Bereitschaft seitens der Entwicklungsländer zum Abschluss solcher Vereinbarungen, hält der Bundesrat im Aussenwirtschaftsbericht 1989 fest. Neu hinzu kommt das Interesse an solchen Abkommen von Staaten Mittel- und Osteuropas. Die Schweiz hat mit über vierzig Vereinbarungen ein sehr dichtes Netz von Investitionsschutzverträgen. Der Aussenwirtschaftsbericht 1989 hält weiter fest : „Bei der Aushandlung solcher Verträge kann zweierlei festgestellt werden : Zum einen sind unsere Vertragspartner heute sichtbar bemüht, Auslandinvestitionen konkret in den Dienst der nationalen Wirtschafts- und Entwicklungspolitik zu stellen, was im Vergleich zu früher zu realistischeren, aber auch detaillierteren Abkommen führt…” (S. 11).
67Im Berichtsjahr wurde mit Polen ein Investitionsschutzabkommen unterzeichnet, welches im April 1990 in Kraft trat. Vorbereitungen über den Abschluss weiterer Abkommen wurden getroffen mit den Ländern Mexiko, Guatemala, Argentinien, Brasilien, Thailand und Jamaika.
68Mit den lateinamerikanischen Ländern – namentlich den schweizerischen Hauptinvestitionsländern Argentinien, Brasilien, Mexiko – möchte die Schweiz schon seit längerer Zeit Abkommen zum Schutz schweizerischer Investitionen schliessen, doch verhinderte die in der lateinamerikanischen Gesetzgebung festgehaltene sog. Calvo-Klausel lange Zeit den Abschluss solcher Verträge. Die Klausel enthält den Grundsatz, dass inländisches Recht nicht durch die Schiedssprüche ausländischer Autoritäten beeinflusst werden darf. Investitionsschutzabkommen sehen jedoch in der Regel zur Schlichtung von Konflikten ein Schiedsgericht vor. Die Klausel enthält weiter die Bedingung, dass Ausländern keine Rechtsprivilegien gewährt werden dürfen.
69Im Berichtsjahr wurde mit keinem weiteren Land – ausser Polen – ein Investitionsschutzabkommen geschlossen. Die Vorbereitungen lassen jedoch den Abschluss weiterer Verträge für die nächsten Jahre erwarten.
70In Doppelbesteuerungsabkommen verzichten beide Vertragsstaaten auf gewisse Steuereinnahmen zur Vermeidung von doppelter Besteuerung von Einkommen und Vermögen. Ein weiterer Zweck solcher Abkommen ist die Förderung des Handels und der Investitionen.
71In der Berichtsperiode wurde mit der Volksrepublik China ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet. Vorbereitende Verhandlungen fanden statt mit Indien, Jugoslawien, Pakistan, Thailand und der Türkei.
72Das Abkommen mit China wurde nach vierjährigen Verhandlungen – unterbrochen durch die brutale Unterdrückung einer friedlichen Massendemonstration im Juni 1989 – im Juli 1990 in Peking unterzeichnet. Es muss noch von den Parlamenten ratifiziert werden und soll anschliessend rückwirkend auf den 1.1.1990 in Kraft treten. Das Abkommen betrifft Einkommens- und Vermögenssteuern.
73Zwischen der Schweiz und China ist seit 1987 ebenfalls ein Investitionsschutzabkommen in Kraft ; eine weitere Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-China ist vorgesehen.