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Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945

Warszawa/Warschau, Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 2021
Hanna Grzeszczuk-Brendel
p. 257-259
Référence(s) :

Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945, Warszawa/Warschau, Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 2021, 410 S.

Texte intégral

  • 1  Niels Gutschow, Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939-1945, Basel, Birk (...)
  • 2  Siehe auch Gutschows Arbeiten mit Werner Durth und anderen, insbesondere Niels Gutschow, Barbara K (...)
  • 3  Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945 (Reda (...)

1Niels Gutschows Buch Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939-19451 erschien 2001 und war eine der ersten Studien eines deutschen Forschers zur Problematik der Architektur des Dritten Reiches im besetzten Polen2. Die vorliegende polnische Ausgabe, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945 (Obsession der Ordnung. Deutsche Architekten planen im besetzten Polen 1939-1945), erschien 2021 auf Initiative und unter der Herausgeberschaft von Aleksandra Paradowska und Annika Wienert in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Institut Warschau im Verlag der Universität Warschau3.

2In den zwanzig Jahren, die zwischen der deutschen und der polnischen Ausgabe liegen, wurde in Polen und in ganz Europa viel zur NS-Architektur in Polen geforscht. Viele Forscherinnen und Forscher profitierten dabei nicht nur von Gutschows Studien, sondern auch von seiner persönlichen Hilfsbereitschaft. Er stand nicht nur für Vorträge, Seminare und Workshops zur Verfügung, sondern gewährte auch großzügig Zugang zu Dokumenten aus seiner Privatsammlung. Gerade für die polnische Forschung, für die viele Quellen nur schwer zugänglich waren und zum Teil noch sind, war dies eine unschätzbare Hilfe. Die Begegnungen mit Gutschow waren auch eine anregende Gelegenheit, unterschiedliche Forschungs- und Denkansätze zu diskutieren und zu vergleichen. Es ist wichtig zu betonen, dass ohne Gutschows Studien und seine Bereitschaft zum Austausch die Erforschung der Architektur des Dritten Reiches in Polen sehr viel schwieriger gewesen wäre.

  • 4  Sein Vater Konstanty Gutschow (1902-1978) war im Dritten Reich unter anderem Chefplaner für die Ne (...)

3In seinem 2001 erschienenen Buch Ordnungswahn stellt Gutschow anhand von öffentlich zugänglichen, vor allem aber auch von Dokumenten aus seiner Privatsammlung Biografien von Architekten und Stadtplanern vor. Dabei geht er auch auf deren Aufgaben und institutionelle Verflechtungen im besetzten Polen ein und zeigt die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Germanisierung („Eindeutschung“) der besetzten Gebiete auf. Er verwies auch auf seine eigene Familiengeschichte4. Diese prägte seine Haltung und stellte ihn in eine Reihe mit Vertretern der Nachkriegsgeneration, die sich mit dem Erbe ihrer Väter auseinandersetzten.

4Die deutsche Erstauflage und die polnische Ausgabe von 2021 folgen im Wesentlichen der gleichen Struktur. Das Buch wurde in Zusammenarbeit mit dem Autor aufwendig redaktionell bearbeitet, aktualisiert, ergänzt und neu bebildert. Es ist damit nicht nur eine werkgetreue Hommage an den Autor, sondern auch ein Kompendium von Informationen, Analysen und Interpretationen, das auch heute noch als Ausgangspunkt für weitere Forschungen dienen kann. Wie in der deutschen Ausgabe widmet Gutschow den Architekten und Planern, die in den betreffenden Gebieten tätig waren, einen detaillierten biografischen Anhang. Auch die polnische Ausgabe enthält ein ausführliches und aktualisiertes Literatur- und Quellenverzeichnis, ein Personen- und Ortsregister sowie zusätzlich eine Übersicht über die NS-Behörden und -Institutionen (jeweils mit polnischer Übersetzung), was sie zu einem übersichtlichen Handbuch macht.

5Gutschow legt besonderen Wert darauf, die diskutierten Phänomene in einen ideologischen Kontext zu stellen. Im deutschen Titel hat er dafür einen treffenden Begriff gefunden – „Ordnungswahn“. Auch in seinem neuen Vorwort zur polnischen Ausgabe des Buches geht Gutschow auf den Titel ein und erläutert, welche Wege ihn zur Beschäftigung mit dem Thema geführt haben. Gemeinsam mit der polnischen Redaktion wurde beschlossen, den Buchtitel mit Obsession der Ordnung zu übersetzen, um die Besessenheit, nicht den Wahn(sinn), zu betonen, in den besetzten Gebieten eine neue Ordnung zu schaffen. Die totale Ordnung, wie sie die Nazis anstrebten, negierte den bestehenden kulturellen Kontext und sollte der umfassenden Umgestaltung Ostmitteleuropas dienen, also seiner „Eindeutschung“ nach nationalsozialistischen Vorstellungen. Die neutralere Übersetzung „besetztes Polen“ macht die ideologisierte Bedeutung von „eingedeutschter Osten“ auch für den polnischen Leser verständlicher.

6Gutschows Vorwort verweist auf die Begleitpublikationen zur deutschen Ausgabe sowie auf den aktuellen Forschungsstand, insbesondere auf Arbeiten polnischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die vier Kapitel der polnischen Ausgabe entsprechen dem Textkorpus der deutschen Publikation: 1. „Eindeutschung“ – Gutschow zeigt, wie von Kriegsbeginn an Parteiplaner und Ideologen an der Benennung der eroberten Gebiete beteiligt waren; 2. Vom Abbau polnischer Städte und vom Aufbau deutscher Städte – Neben Warschau und Krakau behandelt Gutschow Lodz/Litzmannstadt und die Rolle seiner Bauverwaltung sowie die städtebauliche Neuordnung im Reichsgau Wartheland und die neuen Städte in Oberschlesien und Südostpreußen ein; 3. Drei Städte – Hier analysiert Gutschow die Planungen für Posen und Lodz/Litzmannstadt, vor allem aber für Auschwitz als Konzentrationslager und deutsche Modellstadt; 4. Zur Kontinuität des Leitbildes „Stadtlandschaft“ – Im abschließenden kurzen Kapitel verweist Gutschow auf Bezüge zum Funktionalismus der 1930er Jahre sowie auf den prägenden Einfluss dieses Leitbildes auf die Stadtplanung in der Kriegszeit und beim Wiederaufbau deutscher Nachkriegsstädte.

7Gutschow untersucht ausgewählte Planungen und Realisierungen in den besetzten polnischen Gebieten, dem Reichsgau Wartheland und dem Generalgouvernement. Er zeigt den Zusammenhang zwischen der Politik in diesen Gebieten und der Planungs- und Gestaltungspraxis auf, wobei er insbesondere auf den Generalplan Ost eingeht. Anschließend konzentriert er sich auf die Planungen für die wichtigsten polnischen Städte: Warschau, Krakau, Lodz/Litzmannstadt und Posen. Dabei weist er auf deren unterschiedliche Stellung im Dritten Reich hin. Grund dafür war die Eingliederung des Reichsgaues Wartheland mit Posen und Lodz/Litzmannstadt in das „Großdeutsche Reich“ (so die ab 1940 angestrebte Bezeichnung). Die Annexion hatte zur Folge, dass Posen als Gauhauptstadt in das Programm zur Neugestaltung deutscher Städte einbezogen wurde, während Warschau auf die Rolle einer untergeordneten Provinzhauptstadt reduziert werden sollte.

8Gutschow betont, dass das Interesse der Architekten an Planungsaufgaben im Osten nicht nur aus ideologischem Engagement resultierte, sondern – ähnlich wie bei der Beamtenschaft und den Parteifunktionären – auch eine Möglichkeit bot, eine individuelle Karriere im Herrschaftssystem aufzubauen. Im Kapitel über die Kontinuität von Planerkarrieren und Planungskonzepten nach dem Zweiten Weltkrieg diskutiert er dies am Leitbild der „Stadtlandschaft“.

9Die der polnischen Ausgabe vorangestellte längere Einleitung zur Architekturgeschichte als Geschichte der Besatzung ist der eigentlich neue Teil der Publikation. Christhardt Henschel, Aleksandra Paradowska und Annika Wienert diskutieren und kontextualisieren hier zentrale Forschungen Gutschows zu diesem Thema sowie seine späteren Publikationen, die zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Forscherinnen und Forschern entstanden sind. Darüber hinaus stellen sie den Stand der Forschung zur NS-Architektur an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert sowie die wichtigsten Forschungsthemen und -anliegen polnischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor. Die Einführung geht zudem auf vorbestehende Ideen ein, auf welche die NS-Ideologie und die Architektur des Dritten Reiches zurückgriffen.

10Dabei zeigt die Redaktion auch Problemfelder auf, die weiterer Forschung bedürfen, und gibt neue Einblicke in weitgehend bekannte Themen. Aus der Perspektive des besetzten Polens lohnt es sich, die Beziehung zwischen dem Alltagsleben und der ideologischen Dimension der Wohnarchitektur zu untersuchen. Ein weiteres, trotz neuerer Studien immer noch offenes Themenfeld betrifft die Beteiligung und die persönliche Verantwortung der so genannten „einfachen Deutschen“ an den Aktivitäten des Regimes einerseits und die sozialen Kosten des technokratischen Ordnungszwangs andererseits. Dies kann insbesondere für eine breitere Reflexion über die gesellschaftliche Anfälligkeit für Demagogie und Propaganda – auch heute – durchaus hilfreich sein. Damit wird auch dem fachfremden Leser ermöglicht, diese Themen besser zu verstehen und in einen breiteren, auch zeitlichen, Kontext zu stellen. Gleichzeitig werden die grundlegenden Konzepte des Nationalsozialismus, die Verwaltungsstruktur des NS-Staates und der besetzten Gebiete sowie die ideologische Verstrickung von Architektur und Stadtplanung und ihre Rolle bei der Umgestaltung der besetzten Gebiete erläutert.

11Das Buch bewahrt das Potenzial, Fragen aufzuwerfen, weitere Forschungen anzuregen und eine differenzierte Sicht auf den Zweiten Weltkrieg zu ermöglichen. Dies ist auch der Leistung der wissenschaftlichen Redaktion zu verdanken, die Gutschows Publikation unter Berücksichtigung des Originaltextes werkgetreu überarbeitet und aktualisiert hat, um es auch einem polnischen Publikum zugänglich zu machen.

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Notes

1  Niels Gutschow, Ordnungswahn. Architekten planen im „eingedeutschten Osten“ 1939-1945, Basel, Birkhäuser Verlag (Bauwelt Fundamente, 115), 2001.

2  Siehe auch Gutschows Arbeiten mit Werner Durth und anderen, insbesondere Niels Gutschow, Barbara Klain, Vernichtung und Utopie. Stadtplanung Warschau 1939-1945, Hamburg, Junius Verlag, 1994.

3  Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945 (Redaktion Aleksandra Paradowska und Annika Wienert, Übersetzung Małgorzata Słabicka-Turpeinen), Warschau, Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego, 2021.

4  Sein Vater Konstanty Gutschow (1902-1978) war im Dritten Reich unter anderem Chefplaner für die Neugestaltung Hamburgs und Leiter von Albert Speers Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte. Siehe Werner Durth, Deutsche Architekten. Biographische Verflechtungen 1900-1970, Braunschweig/Wiesbaden, Vieweg Verlag, 1986; Werner Durth, Niels Gutschow, Träume in Trümmern, Braunschweig/Wiesbaden, Vieweg Verlag, 1988.

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Pour citer cet article

Référence papier

Hanna Grzeszczuk-Brendel, « Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945 »Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande, 56-1 | 2024, 257-259.

Référence électronique

Hanna Grzeszczuk-Brendel, « Niels Gutschow, Obsesja porządku. Niemieccy architekci planują w okupowanej Polsce 1939-1945 »Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande [En ligne], 56-1 | 2024, mis en ligne le 19 juin 2024, consulté le 16 janvier 2025. URL : http://0-journals-openedition-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/allemagne/3893 ; DOI : https://0-doi-org.catalogue.libraries.london.ac.uk/10.4000/11ux4

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